News 26. 01. 2009

Reaktionen auf die Rehabilitation der Traditionalisten

Die Aufhebung der Exkommunikation der lefebvrianischen Bischöfe wurde auch innerhalb der katholischen Kirche unterschiedlich kommentiert.

Ein Schisma sei für die Kirche eine schmerzhafte Wunde und schade auch ihrem Ansehen in der Welt, betonte der  emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl in einem Kommentar für "Radio Vatikan". Es sei daher verständlich, "dass der Papst alles versucht, um diese Wunde zu heilen". Viele hätten sich aber gewundert, dass die Aufhebung der Exkommunikation der vier unrechtmäßig geweihten Bischöfe erfolgte, "bevor diese in aller Öffentlichkeit ihre vehemente Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil und damit an der Entwicklung der Kirche danach widerrufen haben". Vor allem betreffe dies die Ablehnung der Erklärung über die Religionsfreiheit. Die Annahme dieses Konzilsdokumentes habe eindrucksvoll gezeigt, dass sich die Konzilsväter - entgegen den Äußerungen Gregors XVI. in der Enzyklika "Mirari vos" von 1832 - ganz für die Gewissensfreiheit in Glaubensfragen einsetzen wollten, erinnerte Bischof Krätzl. Das sei etwas, "was heute zu den grundlegendsten Menschenrechten zählt".

"Pius-Bruderschaft" soll Zweites Vaticanum anerkennen

Die Infragestellung der erneuerten Liturgie durch die "Pius-Bruderschaft" treffe den Fortschritt der Kirche nach dem Konzil noch zentraler, betonte Krätzl. Denn die erneuerte Liturgie habe ja nicht nur eine Änderung eines Ritus gebracht, sondern sei "Ausdruck einer tieferen Sicht der Kirche": "An Stelle einer reinen Priesterliturgie wird nun die tätige Teilnahme des Gottesvolkes eingemahnt". Johannes Paul II. habe zum 25-Jahr-Jubiläum der Liturgiekonstitution gesagt: "Es besteht in der Tat eine sehr enge und organische Verbindung zwischen der Erneuerung der Liturgie und der Erneuerung des ganzen Lebens der Kirche". Wörtlich meinte Bischof Krätzl in diesem Zusammenhang: "Ich verstehe daher die Befürchtung vieler, dass mit einer Rückkehr zur vorkonziliaren Liturgie die nachkonziliare Entwicklung überhaupt in Frage gestellt wird". Papst Benedikt XVI. habe durch die Rücknahme der Exkommunikation eine "großzügige rechtliche Geste" gesetzt. An der "Pius-Bruderschaft" liege es nun, durch die volle Annahme des Konzils auch "innerlich wieder ganz in den Schoß der Kirche zurückzukehren".

Kardinal Ricard: "Beginn eines Dialogprozesses"

Der Erzbischof von Bordeaux, Kardinal Jean-Pierre Ricard, bezeichnete die päpstliche Entscheidung als "Beginn eines Dialogprozesses". Die Aufhebung der Exkommunikation habe die beiden "fundamentalen Probleme" nicht gelöst: Die juridische Position der "Pius-Bruderschaft" in der Kirche und die Übereinkunft über die dogmatischen Fragen. Der Weg zu einer Einigung werde "ohne Zweifel lang", so Ricard, der die Anerkennung aller  Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die Lefebvrianer forderte. Es gebe auch Probleme "politischer und kultureller Art". Dazu gehörten etwa die "inakzeptablen Äußerungen" des lefebvrianischen Bischofs und früheren Anglikaners Richard Williamson, der vor kurzem den Holocaust geleugnet hatte. Benedikt XVI. sei gegenüber den Lefebvrianern bis zum Äußersten gegangen, weil er als Theologiehistoriker wisse, welches Drama ein Schisma für die Kirche bedeute. Ricard gehört der Päpstlichen Kommission "Ecclesia Dei", die sich um die Gläubigen zu kümmern hat, die der Messe nach dem "alten Usus" von 1962 anhängen. Frankreich ist von dem Schisma besonders betroffen, gilt es nämlich neben Brasilien als Hochburg der traditionalistischen Pius-Bruderschaft, der eigenen Angaben zufolge 500 Priester und 150.000 Gläubige angehören.

Kardinal Vingt-Trois: Freue mich immer über eine Aufhebung einer Strafmaßnahme

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Pariser Kardinal Andre Vingt-Trois reagierte am Samstag verhalten auf die Rehabilitierung der Anhänger des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre. Benedikt XVI. verfüge offenbar über "ausreichend positive" Informationen, um diese Entscheidung verantworten zu können, sagte Vingt-Trois. Persönlich freue es ihn immer, wenn eine kirchliche Strafmaßnahme aufgehoben werde, sagte Vingt-Trois weiter. Beobachter deuteten dies als Spitze gegen Benedikt XVI., der in den 1980er und 1990er Jahren als Präfekt der Glaubenskongregation zahlreiche als Linksabweichler geltende Kirchenvertreter mit Strafmaßnahmen gemaßregelt hatte.

Unterscheidung zwischen "guter" und "schlechter Tradition" steht nur der Kirche zu

Vingt-Trois betonte, die Aufhebung der Exkommunikation für die Lefebvre-Anhänger bedeute nicht, dass ein Katholik zwischen "der Lehre der Kirche" und seinem persönlichen Verständnis der kirchlichen Tradition auswählen dürfe. Es gebe immer wieder Leute, die sich anmaßen, zwischen "guter Tradition" und "schlechter Tradition" unterscheiden zu dürfen. Diese Unterscheidung stehe aber nur der Kirche als solcher zu und nicht einer "bestimmten Gruppe innerhalb der Kirche", meinte Kardinal mit Blick auf die Ablehnung der Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die Lefebvrianer.

Zollitsch: Konzilsbeschlüsse sind " unabdingbar Grundlage"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, begrüßte am Samstag, dass der Papst bei seiner Aktion keinen Zweifel daran gelassen habe, "dass die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils unabdingbar Grundlage für das Leben der Kirche ist". Er hoffe und bete, dass die Priesterbruderschaft die ausgestreckte Hand des Papstes ergreife, erklärte Zollitsch.

"Wir sind Kirche": "Rückwärtsgewandte Ausrichtung des Pontifikats"

Die katholische Basisbewegung "Wir sind Kirche" sah in der Rücknahme der Exkommunizierung einen weiteren Beleg für "die rückwärtsgewandte Ausrichtung des Pontifikats von Benedikt XVI.". Sie forderte am Samstagabend in einer Aussendung in Wien, dass Benedikt XVI. nun auch all jene heimholen solle, "die mit Lehrverboten und Exkommunikation bestraft wurden, weil sie die gute Nachricht Jesu auch politisch-strukturell für die Armen dieser Welt einsetzen oder Frauen zu Priesterinnen weihen oder für Kondome zum Schutz vor Aids eintreten. (...) Ihnen gelten die ausgestreckten Arme des Papstes nicht, sie heißt er nach wie vor nicht willkommen."

Theologe: "Ohrfeige für Johannes Paul II."

Scharfe Kritik an der Rücknahme der Exkommunizierung der traditionalistischen Bischöfe übte der italienische Theologe Gianni Gennari. Es handle sich um eine "Tragödie, eine Niederlage für die Kirche" und eine "Ohrfeige für Johannes Paul II.", sagte Gennari der Tageszeitung "Il Giornale" laut "Kathpress"-Meldung vom Sonntag. Barmherzigkeit erweise die Kirche nämlich normalerweise reuigen Sündern, während die Anhänger des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre nichts bereut hätten. 40 Jahre lang hätten Lefebvristen die Päpste als "Bastarde" und die seit 1970 geltende Heilige Messe als "Gräuel" bezeichnet, erinnerte der laisierte Theologe. Sie hielten sich für die Bewahrer der echten katholischen Lehre. Und ihre stolze Reaktion jetzt zeige, dass sie glaubten, gewonnen zu haben, so Gennari.

Hoffen auf eine Geste gegenüber "Progressiven"

Der Mailänder Theologe Vito Mancuso erwartet nach der Aufhebung der Exkommunikation auch eine kirchliche Geste gegenüber "progressiven" Katholiken. Nach der bedeutsamen Öffnung gegenüber der "extremen Rechten" sollte Benedikt XVI. sich auch gegenüber der "Linken" öffnen, um Spaltungen in der Kirche zu verhindern, sagte er im Gespräch mit der Tageszeitung "La Repubblica".

Vatikanzeitung: Hätte auch "Johannes XXIII. und seinen Nachfolgern gefallen"

Der Chefredakteur der offiziösen Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano", Gian Maria Vian, deutete die Papst-Entscheidung dagegen als Zeichen für die Lebendigkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Darauf weise der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dekrets, am Vorabend des 50. Jahrestags der Konzilsankündigung durch Johannes XXIII., hin. Das Konzil liege in den Händen der Gläubigen, damit das "Zeugnis der an Christus Glaubenden in der Welt klarer und stärker wird", so Vian. Er erinnerte daran, dass auch das Tridentinische Konzil lange Zeit für seien Durchsetzung gebraucht habe. Das Zweite Vatikanische Konzil sei wegen der einschneidenden Bedeutung der Konzilsentscheidungen für Liturgie, Mission und die Beziehungen mit den anderen Religionen und der Haltung zur Welt nicht leicht durchzusetzen, sagte er in Anspielung auf die Haltung der Lefebvre-Anhänger. Der von Benedikt XVI. gegenüber den Lefebvristen gesetzte "Akt der Barmherzigkeit" sei ein Geste, die "auch Johannes XXIII. und seinen Nachfolgern gefallen" hätte.

 

 

 

 
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