News 25. 03. 2009

Darwin-Biograf: Darwin befreite uns von "wörtlicher Lesart der Bibel"

Charles Darwin habe "uns oder unsere Vorfahren ein wenig von der wörtlichen Lesart der Bibel befreit", erklärte der Darwin-Biograf Jürgen Neffe am Dienstagabend bei einer Diskussion in Wien. Allerdings habe Darwin "nirgendwo bestritten, dass es einen Schöpfer gibt", so Neffe.

Im Rahmen der "Woche des Wissens & Forschens" diskutierte Jürgen Neffe am Dienstag mit der Pastoraltheologin Regina Polak, dem Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Bernd Lötsch und Wissenschaftsminister Johannes Hahn über Darwin und dessen Erkenntnisse. Einhelliger Tenor der Diskussion: Der Streit zwischen Kirche und Darwin bzw. Darwinisten ist überflüssig.

Für Darwin war Gott der Schöpfer des Prinzips der Naturgesetze

Der Begründer der Evolutionstheorie "hat uns geholfen, die Bibel modern metaphorisch zu lesen", so der deutsche Wissenschaftsjournalist Jürgen Neffe, dessen 2008 erschienenes Buch "Darwin" jüngst in Österreich zum "Wissenschaftsbuch des Jahres" gekürt wurde. Die Bibel kann man Neffe zufolge "kongruent" zu den Naturwissenschaften bringen. Darwin habe gemeint, dass Gott etwas viel höheres darstelle - dass der Schöpfer nicht einzelne Arten in die Welt setzt, aber das Prinzip der Welt erschaffen habe, in dem alle Naturgesetze integriert sind. Auch die anglikanische Kirche habe damals schnell gemerkt, dass man auch mit Darwin weiter an einen Schöpfer glauben kann: "Der Stein, den er ins Wasser geschmissen hat, 1859 (Erscheinungsjahr seines Werkes "Über die Entstehung der Arten", Anm.), hat gar nicht so gespritzt, wie wir heute alle immer glauben."

Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie

Auch unter den Österreichern zeigte sich jüngst ein großes "Harmoniebedürfnis", den Schöpfungsgedanken in die Erkenntnisse der Evolutionstheorie zu integrieren, verwies Wissenschaftsminister Johannes Hahn auf eine im "Darwin-Jahr" im Auftrag seines Ressorts und der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erstellte Studie. Sie ergab u.a., dass die Entstehung der Welt und des Lebens für 89 Prozent der Österreicher im Zusammenhang mit der "naturwissenschaftlichen Theorie der Evolution" steht, doch für fast die Hälfte der Bevölkerung auch religiöse und theologische Deutungen eine Rolle spielen.

"Zwei verschiedene Denkformen"

Einen Konflikt ortet Regina Polak vom Institut für praktische Theologie der Uni Wien dort, wo man darüber streitet, "wer den Deuteprimat über die Wirklichkeit hat". Das sei ein nicht angemessener Streit. Die Schöpfungstheologie und Evolutionstheorie seien "zwei verschiedene Sprachformen und auch Denkformen". Erstere frage danach, ob es einen Sinn in der Geschichte gibt und "ob das, was geworden ist, eine Bedeutung hat und ob es ein Ziel gibt". Darwin habe in eine andere Richtung nachgedacht. Man müsse sich überlegen, welche Wissenschaft welchen Beitrag zu welchen Fragen leisten kann. "Die Theologie und Kirchen können unmöglich biologische Fragen beantworten, die Naturwissenschaften können, wenn sie redlich sind, keine politischen Ansprüche stellen - auch wenn das immer wieder passiert ist."

"Zufall genügt auch vielen Biologen nicht"

"Man gerät sich über Darwin in die Haare. Wenn man ihn angreift, dann meint man eigentlich die Darwinisten. Die Neodarwinisten haben sein Erklärungsmodell puristisch so ins Extrem gesteigert, dass es heute vor der modernen Molekularbiologie gar nicht standhalten kann", meinte Bernd Lötsch, Direktor des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien. Für die Kritik kirchlicher Kreise am Neodarwinismus hat Lötsch teilweise Verständnis: "Denn dieses völlig zufällige Spiel, dieses Würfelspiel von Zufall und Wirkung allein genügt auch vielen reifenden Biologen nicht mehr."

"Unsere Evolution ist gezielt"

Einen großen Verdienst Darwins sieht Neffe darin, dass er "uns eine Antwort gegeben hat, woher wir kommen". Die Evolution sei dabei ein sehr brutaler Prozess. Es werde immer zu viel Nachwuchs produziert und geschaut, was sich durchsetzt. "Um eine Eigenschaft zu entwickeln, braucht es aber viele Generationen." Gesellschaftliche Prozesse unterscheiden sich davon: "Wenn wir miteinander über Sozialdarwinismus, Rassismus, Kapitalismus, Gerechtigkeit, Religion reden - das sind menschliche Eigenschaften, die mit biologischer Evolution höchstens noch marginal zu tun haben." Eine Erfindung könne sich etwa rasend schnell verbreiten, auch innerhalb einer Generation. Die Evolution sei "ziellos, blind, gleichgültig", die kulturelle Evolution mache hingegen das Lernen aus: "Wir wenden Wissen an auf Zukunftsplanung. Unsere Evolution ist gezielt".

 

 

Mehr zum Thema:

- 03. 03. 2009: Vatikan-Tagung über Darwins Evolutionslehre

- 12. 02. 2009: Analyse: Evolutionstheorie: das schwierige Verhältnis von Religionen und Naturwissenschaft

- 12. 02. 2009: Vatikanzeitung würdigt "großen Naturforscher" Charles Darwin

- 12. 02. 2009: 200 Jahre Darwin: Zwischen Schöpfung und Evolution

 

Webcast:

- kreuz und quer, 10. 02. 2009: Darwins Theorie - Zwischen Wissenschaft und Ideologie

- Orientierung, 08. 02. 2009: Charles Darwin – ein „Weltbildzerstörer“ und sein „anderes Vermächtnis“

 

 

 

 
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