News 12. 05. 2009 |
Kritik an Rede Benedikts in Yad VashemDie Rede von Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist in Israel überwiegend mit Enttäuschung aufgenommen worden. Rabbiner Israel Lau, Holocaust-Überlebender und Vorsitzender des Yad Vashem-Rates, sagte dem israelischen Rundfunk am Dienstag, es sei "eine historische Stunde versäumt worden".Nach Ansicht des bekannten israelischen Historikers Tom Segev war die Rede des Papstes überraschend banal. Sogar der israelische Parlamentspräsident kritisierte die Papstrede.Die Rede des Papstes sei bewegend gewesen, aber es habe etwas gefehlt, sagte der Vorsitzende des Yad Vashem-Rates, Rabbiner Israel Meir Lau, am Montag der Tageszeitung "Haaretz". Weder seien die für das Gemetzel verantwortlichen Deutschen oder Nazis beim Namen genannt worden noch habe es eine Entschuldigung oder ein Wort des Bedauerns gegeben. Zu unpersönlich?Als "wichtigen und positiven Besuch" und als "einen Schritt vorwärts" bezeichnete der Leiter der Holocaust-Gedenkstätte, Avner Shalev, den Besuch von Papst Benedikt XVI. Allerdings wäre noch einmal eine ausdrückliche Verurteilung des Holocausts wünschenswert gewesen, wie sie der Papst am Vormittag auf dem Ben-Gurion-Flughafen formuliert hatte, sagte Shalev unmittelbar nach dem Papstbesuch im Gespräch mit Journalisten, wie "Kathpress" meldet. Der Papst hätte insgesamt "etwas persönlicher" auftreten und auch die Täter benennen können, sagte Shalev. Daher sei seine Meinung zur Papstrede in Yad Vashem etwas gespalten, so Shalev. Freilich kenne er Joseph Ratzinger seit langem. Daher sei die Rede verständlich in der Form, wie sie gehalten wurde. Holocaust-Dachverband: Wichtig und positivDer Vorsitzende des israelischen Holocaust-Dachverbands, Noach Flug, hat Papst Benedikt XVI. vor Kritik in Schutz genommen. Flug sagte dem israelischen Online-Dienst "Ynet" vom Dienstag, er verstehe die Vorwürfe gegen den deutschen Papst nicht. "Er ist nicht Präsident einer zionistischen Organisation", sagte Flug, der auch Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees ist. Daher könne man auch nicht erwarten, dass er wie ein Rabbiner spricht. "Er ist hergekommen, um eine Annäherung zwischen der Kirche und dem Judentum zu bewirken und daher ist sein Besuch als positiv und wichtig einzustufen." Parlamentspräsident: Wie ein HistorikerAuch der israelische Parlamentspräsident Reuven Rivlin übte Kritik an der Rede des Papstes in Yad Vashem: "Er kam und sprach zu uns, als ob er ein Historiker wäre, jemand, der von der Seitenlinie zuschaut", sagte Rivlin am Dienstag im israelischen Hörfunk. "Und was soll man da machen? Er gehörte zu ihnen", fügte er hinzu. "Mit allem Respekt für den Heiligen Stuhl, wir können nicht die Bürde ignorieren, die er trägt als ein junger Deutscher, der der Hitlerjugend beitrat und als Person, die in Hitlers Armee eintrat." Zeitung: "Das Versäumnis des Papstes"Die Kontroverse um die Ansprache von Papst Benedikt XVI. in Yad Vashem in Jerusalem hat sich am Dienstag auch in den israelischen Medien widergespiegelt. Die auflagenstärkste israelische Zeitung "Jediot Achronot" schrieb auf ihrer Titelseite neben einem Bild des Papstes in der Halle der Erinnerung: "Er hat sich nicht entschuldigt." Die Überschrift der Berichte auf den Innenseiten lautete: "Das Versäumnis des Papstes". Auch die Zeitung "Maariv" titelte: "Ohne Entschuldigung." Die links-liberale "Haaretz" schrieb in ihrer Schlagzeile, der deutsche Papst habe in seiner Rede nicht die Schuld der Nationalsozialisten am Holocaust erwähnt. Historiker Segev: Überraschend banalDer bekannte israelische Historiker Tom Segev ("Die siebte Million") schrieb in "Haaretz", die Rede des Papstes sei überraschend banal gewesen. "Nichts ist leichter, als echte Erschütterung zu zeigen, wenn man über den Holocaust spricht, sich mit dem Leid, dem Schmerz und der Trauer zu identifizieren. Wenn man dies nicht tut - ist es ein Zeichen dafür, dass man dies absichtlich tut." Anders als sein Vorgänger Johannes Paul II., der in Israel begeistert aufgenommen worden sei und echte Wärme gezeigt habe, strahle Benedikt "etwas sehr Beherrschtes, fast Unterkühltes aus". Seine Worte über die Judenvernichtung hätten sich "zu bedächtig, zu diplomatisch, zu professionell", angehört. Der Papst sei sich seiner besonderen Verantwortung als Deutscher und Christ bewusst, schrieb Segev. "Aber in seiner Rede gestern sagte er, die Juden seien "getötet" worden, als handele es sich um einen bedauernswerten Unfall." Zentralrat: "Graben zwischen den Juden und dem Vatikan"Enttäuscht reagierte der Zentralrat der Juden in Deutschland auf den ersten Besuchstag von Papst Benedikt XVI. in Israel. Die Enttäuschung sei vor allem dadurch entstanden, dass der Papst weder eine Distanzierung zu den Piusbrüdern und ihrem Holocaust-Leugner Richard Williamson noch zur Aufforderung zur Judenmissionierung in der Karfreitagsfürbitte habe erkennen lassen, sagte die Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch am Montagabend in den ARD- "Tagesthemen". "Es ist ein Graben zwischen den Juden und dem Vatikan." Knobloch forderte den Papst auf, die Archive des Vatikans zu öffnen, damit das Verhältnis von Papst Pius XII. in der Nazizeit zu den Juden geklärt werden könne. Nötig ist aus ihrer Sicht zudem eine generelle Entschuldigung für die Verfolgung der Juden auch durch die katholische Kirche in früheren Jahrhunderten.
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