News 17. 08. 2009

Irakischer Bischof appelliert an die EU: Nicht nur christliche Flüchtlinge aufnehmen

Der römisch-katholische Erzbischof der Diözese Bagdad, Jean Benjamin Sleiman, hat davor gewarnt, dass die Europäische Union gezielt nur christliche Flüchtlinge aus dem Irak aufnimmt. Eine solche Politik der EU wirke wie ein Aufruf an die Christen zu fliehen, "egal ob sie verfolgt sind oder nicht", so Sleiman.

Es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass die EU Flüchtlinge aufnimmt, betonte Erzbischof Sleiman laut "Kathpress" in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Publik-Forum". Notwendig sei aber vor allem auch, dass die EU mit ihrem Einfluss auf die irakische Regierung erwirkt, dass mehr gegen Gewalt unternommen wird, forderte der Erzbischof: "Das hat in der Vergangenheit Wirkung gezeigt: Da hat die Regierung auf Druck der EU Soldaten nach Mossul geschickt, um zu verhindern, dass Menschen aus ihren Häusern vertrieben wurden." Außerdem müsse die EU ihre Hilfe für den Wiederaufbau des Landes verstärken, etwa um neue Arbeitsplätze zu schaffen oder das Justizsystem aufzubauen. Das sei Hilfe zur Selbsthilfe, wies Erzbischof Sleiman hin: "Letztlich kann niemand den Irak retten außer den Irakern selbst."

"Die Gewalt trifft jeden"

Die irakische Regierung könne die Sicherheit im Land immer noch nicht garantieren, auch wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe, klagte der Erzbischof. Anschläge würden nach wie vor Angst und Schrecken verbreiten und beträfen Christen wie Muslime. Sleiman: "Wie es Anschläge auf christliche Kirchen gibt, gibt es auch welche auf sunnitische oder schiitische Moscheen oder Märkte. Die Gewalt trifft jeden, nicht nur Christen."

"Alle haben etwas gemeinsam: die Angst"

Die größte Herausforderung im Irak sei die Einheit des Landes. "Es gibt Kräfte, die das Land politisch, ethnisch und religiös teilen wollen und Gewalt einsetzen, um gegen die Versöhnung der Gruppen zu arbeiten", kritisierte der Erzbischof. Zugleich gebe es aber auch "Inseln der Koexistenz und der Freundschaft". Er erlebe immer wieder bei Hochzeiten oder Beerdigungen, dass unter den Gästen auch Muslime sind. Sleiman: "Alle Gruppen haben etwas gemeinsam: die Angst."

Engagement für die Versöhnung

In der täglichen Sozialarbeit der Kirche, die stark von der örtlichen Caritas getragen wird, habe die Versöhnung großen Stellenwert. Erzbischof Sleiman: "In unseren Programmen für unterernährte Kinder beispielsweise haben wir siebzig Prozent muslimische Hilfsempfänger. Auch in unserem Krankenhaus gibt es keine Diskriminierung."

 

 

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