News 23. 10. 2009

Erste Wiener Diözesanversammlung eröffnet

Im Wiener Stephansdom hat die Erzdiözese Wien am Donnerstagnachmittag die größte Versammlung ihrer Geschichte eröffnet. Rund 1.000 Vertreter aus Pfarren, Orden, Bewegungen und kirchlichen Einrichtungen kamen zusammen. In den nächsten Tagen wollen die Teilnehmer der ersten Diözesanversammlung zur großen Missionsinitiative "Apostelgeschichte 2010" Konzepte diskutieren, wie sich die römisch-katholische Botschaft besser nach außen transportieren lässt.

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, rief am Donnerstag bei der Eröffnung der Diözesanversammlung im Stephansdom dazu auf, die Menschen von heute so zu sehen, wie Jesus sie sieht. Mit den Augen Jesu sehen zu lernen, sei der "Kern der Mission", betonte Schönborn. Auch für ihn persönlich sei dies zur Kernfrage seines Lebens geworden.

"Lassen wir die Nostalgie"

Aus dieser Frage sei in seiner Erfahrung ein "fünffaches Ja Gottes" zur Gegenwart geworden, betonte Kardinal Schönborn, der seine Ansprache unter den programmatischen Titel "Eine neue Epoche des Christentums" stellte. Es gehe darum, "Ja" zu sagen "zum Heute, in dem wir leben. Gott liebt diese Zeit, die Menschen heute". "Lassen wir die Nostalgie", appellierte der Wiener Erzbischof an Priester und Laienchristen: "Wir leben nicht in den kirchenboomenden fünfziger Jahren, in den konzilsbegeisterten sechziger Jahren, in den stürmischen Jahren nach 1968. Wir leben heute".

"Wir müssen manches loslassen"

Man müsse aber auch "Ja" sagen zur konkreten Situation. Die Kirche sei, besonders in Wien, gewaltig geschrumpft. Wörtlich sagte Kardinal Schönborn in diesem Zusammenhang: "Wir müssen manches loslassen, was uns unersetzlich scheint". Es gehe aber auch darum, "Ja" zu sagen zu dem, "was wächst, was Förderung braucht und was uns Gottes Weg in dieser Zeit zeigt". Die Kirche in Wien spiegle heute die Weltkirche wider. Fast 30 Prozent der Priester im Diözesandienst hätten eine nichtösterreichische Herkunft. Und die anderssprachigen Gemeinden bildeten einen "erheblichen Teil" der Kirche in Wien.

Sendungsauftrag aller Getauften

Eindringlich appellierte der Wiener Erzbischof an Priester und Laienchristen, im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils "Ja" zu sagen zur "gemeinsamen Berufung als getaufte und gefirmte Christen". Für den gemeinsamen Auftrag sei der erste Satz des Konzilsdekrets "Lumen Gentium" besonders wichtig: "Christus ist das Licht der Völker. Darum ist es der dringende Wunsch dieser Synode, alle Menschen durch seine Herrlichkeit zu erleuchten, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint". Jeder Christ, jede Christin sei ein Antlitz der Kirche, auf dem Christus leuchtet. Der Sendungsauftrag aller getauften Christen sei daher zuerst ein persönlicher. Mission gehe nur "face to face", von Angesicht zu Angesicht. So solle auch die Diözesanversammlung verstanden werden: nicht zuerst Papiere produzieren, sondern einander "face to face" begegnen. Alle Strukturfragen, "die uns zu Recht bewegen", würden von diesem Punkt ausgehen, betonte Kardinal Schönborn: "Wie können wir 'nahe bei den Menschen' bleiben bzw. ihnen wieder näherkommen".

"Wir tragen viele andere mit"

Als "aktive Minderheit" in der Gesellschaft von heute werde es immer wichtiger, dass die Christen das Prinzip "Stellvertretung" leben, unterstrich der Kardinal: "Wir tragen im Glauben, in unserem Beten und Feiern viele andere mit". Man könne es den "anderen" auch gelegentlich sagen, dass ihre Sorgen und Anliegen in die Messfeier mitgenommen werden.

"Netzwerk der Nächstenliebe"

Schließlich erinnerte der Wiener Erzbischof daran, dass die Pfarren, katholischen Gemeinschaften und kirchlichen Einrichtungen ein großes "Netzwerk der Nächstenliebe" bilden. Das geschehe in einer spannungsreichen Situation: Einerseits würden Mittel und Möglichkeiten weniger, andererseits die Nöte und Herausforderungen größer. Umso mehr sei die "Fantasie der Nächstenliebe" gefordert. Das "Ja" zum gesellschaftlichen Auftrag sei ein wesentlicher Teil der Mission.

"Apostelkonzil"

Die Kirche - und auch die Gesellschaft - erlebe heute die "größten Veränderungen und Umbrüche" seit langem, erinnerte Kardinal Schönborn. Als Modell zur Gestaltung dieser Situation schwebe ihm das Modell des "Apostelkonzils" vor, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben wird. Damals sei es um die Frage gegangen, ob sich die Kirche auch für die Heiden öffnen solle und ob die Heiden das Gesetz des Moses übernehmen müssen, um Christen werden zu können. Statt sich von diesen dramatischen Fragen lähmen zu lassen, hätten die Apostel einen anderen Weg gewählt: "Sie haben einander erzählt, was Gott in ihrer Mitte gewirkt hat". Daraus sei die Einigung entstanden. Bei der 1. Diözesanversammlung solle etwas ähnliches geschehen, so der Wiener Erzbischof: "Auch unter uns gibt es große Unterschiede im Kirchenbild, in der Glaubensgeschichte, in den gesellschaftlichen Akzenten. Aber wenn wir wie im Apostelkonzil wirklich auf die Glaubenserfahrung des anderen hören, kann es zu einer so starken Gemeinsamkeit kommen wie damals in Jerusalem".

Glaubens- und Lebenszeugnisse

In Glaubens- und Lebenszeugnissen berichteten im Anschluss an Kardinal Schönborn Priester, Ordensleute und Laienchristen von ihren Erfahrungen in und mit der Kirche. Nur die Aufmerksamkeit für die Nöte der Mitmenschen mache die Verkündigung der Frohen Botschaft glaubwürdig, so ein Pfarrer aus dem Weinviertel. Ob es das Engagement in der Sterbebegleitung, Besuchsdienste im Altenheim oder in der Strafanstalt seien, "jeder Dienst gibt dem Leben Sinn", so der Priester.Eine Wiener Ärztin und vierfache Mutter berichtete über ihre Erfahrungen, sich mit Kleinkindern auf den Weg zu Gott zu machen.

"Was bekommen die Menschen von unserer Botschaft mit?"

Ein Wiener Pfarrgemeinderat zog im Stephansdom Bilanz über seine bisherige Amtszeit: "Wenn man in Einmütigkeit aufeinander hört, dann kann es ruhig auch einmal Krachen in der Kirche". Eine 16-jährige Schülerin aus dem Weinviertel setzte sich für mehr jugendgerechte Messen ein. Einige Pfarrmitglieder aus Schwechat berichteten über ihre Erlebnisse in Firmstunden, im Pfarrcafe oder bei der Arbeit mit Asylbewerbern. Dass gerade auch schwierige Situationen näher zu Gott führen können, machte eine Ordensschwester deutlich. Wenn sie in der Ordenstracht durch Wien laufe, erlebe sie die unterschiedlichsten Begegnungen: von Anpöbelungen bis zu freundlichen Gesprächen. Sie sei für alle Begegnungen dankbar, so die Schwester. Zehn Jahre habe sie in Afrika verbracht. Mit Kategorien wie "modern" oder "konservativ" habe man es dort nicht zu tun, berichtete sie. Die zentrale Frage sei aber immer die gleiche, nämlich die nach der Verständlichkeit der Verkündigung: "Was bekommen die Menschen von unserer Botschaft mit?" Eine Mitarbeiterin der Katholischen Frauenbewegung und Lokalpolitikerin führte schließlich aus, wie sie aus ihrem Glauben heraus versuche, die dörfliche Gemeinschaft im Sinne des Evangeliums mitzugestalten.

Geistliche und Laien

Unter den Teilnehmern der Diözesanversammlung finden sich sowohl ehrenamtlich als auch hauptberuflich in der Kirche Tätige. Bis Samstag stehen Vorträge und Gesprächsgruppen auf dem Programm. Den Abschluss der Veranstaltung bildet ein Gottesdienst Samstagmittag.

"Apostelgeschichte 2010"

Im Rahmen des Missionsprojekts "Apostelgeschichte 2010" möchte die Kirche, mit den Menschen, die im Bereich der Erzdiözese Wien wohnen, ins Gespräch über "Gott und die Welt" zu kommen. Insgesamt sind im Laufe des Projekts drei Diözesanversammlungen geplant. Die zweite beginnt Anfang März, die dritte Anfang Oktober 2010. In einer Missionswoche, die am Pfingstmontag kommenden Jahres beginnt, sollen die Teilnehmer schließlich das Besprochene in die Tat umsetzen.

 

 

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Link:

- "Apostelgeschichte 2010"

 

 

 
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