News 20. 02. 2012

Hetzschriften machen Stimmung gegen Gföhler Stupa-Bau

Am 12. Februar dieses Jahres erteilten die Bürger der Gemeinde Gföhl im Waldviertel einem der größten Sakralbauprojekte Europas eine Absage: 67 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten gegen den Bau eines buddhistischen Zentrums im Gemeindegebiet. Neben Stimmen aus der katholischen Kirche sowie der Piusbruderschaft hatten auch FPÖ und BZÖ gegen den geplanten Stupa-Bau mobil gemacht. Nun tauchen aber auch mehr und mehr Flugblätter zum Teil überaus verhetzenden Inhalts auf, die vor der Abstimmung an Gföhler Haushalte verteilt wurden.

Auf Facebook kursieren diverse Pamphlete, die zum Abstimmen mit „Nein“ aufrufen. Neben verhältnismäßig nüchternen Flugblättern, die etwa Lücken in der Finanzplanung des Projektes aufzeigen wollen, landeten auch Zettel in den Briefkästen der Gföhler Bürger, die ein wahres Schreckensbild des Buddhismus zeichnen. Von moralischen Abgründen ist darin die Rede: Im Dienste einer „Sexualmagie“ würden Kinder missbraucht und Frauen als „Energiespender“ benutzt. Bis hin zum „Ritualmord“, dem „Verzehr von Ausscheidungen“ und schließlich einem „Krieg um die Weltherrschaft“ und Nähe zum Nationalsozialismus reichen die Anschuldigungen.

Christlich-fundamentalistische Gruppierungen

Als Herausgeber der Pamphlete zeichnen rechts stehende, christlich- fundamentalistisch Gruppierungen wie die „Mission Europa Netzwerk Karl Martell“ und der Wiener Akademikerbund verantwortlich. Letzterer ist seit Mai 2011 nicht mehr Teil des der ÖVP nahe stehenden Österreichischen Akademikerbundes. Anlass für die Abspaltung war, dass der Obmann des Wiener Bundes die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes und eine "generelle Beendigung der Einwanderung" gefordert hatte. Das „Netzwerk Karl Martell“ wiederum sieht sich in erster Linie der Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen eine „Islamisierung“ verpflichtet. Zu den Unterzeichnern gehören weiters ein „Institut Leo XIII.“, eine „Christen-Allianz“ und die Abtreibungsgegner „PRO VITA – Bewegung für Menschenrecht auf Leben“. Auf Anfrage von religion.ORF.at war keine der Gruppierungen für eine Stellungnahme erreichbar.

„Vollkommen fremde Sitten“

Vergleichsweise zahm gibt sich eine „Österreichische Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“, die vor „familiären Spaltungen“ und „vollkommen fremden Sitten in Kleidung, Ernährung, Gebet und öffentlichen Verhaltensweisen“ durch das Projekt warnt. Der Bau des Zentrums werde zu „Abfall vom katholischen Glauben in Gföhl und im ganzen Land“ beitragen, so der Text.

„Behauptungen nicht ernst zu nehmen“

Für den Religionswissenschafter Franz Winter sind die „vollkommen verzerrten und intentional dargestellten“ Behauptungen nicht ernst zu nehmen. Zu religion.ORF.at äußerte Winter, er könne sich vorstellen, dass derartige Mythen ihren Ursprung in den sehr schwer zu interpretierenden Texten des tibetischen Buddhismus haben. Die Vorwürfe betreffend der angeblich vom Buddhismus  angestrebten „kriegerischen Welteroberung“ etwa könnten auf den bildhaft dargestellten „inneren Kampf des Einzelnen“ zurückgehen. Kontakte zum Nationalsozialismus habe es durchaus einmal gegeben, der heutige tibetische Buddhismus habe freilich mit Antisemitismus und Nazi-Ideologie nichts zu schaffen. Nicht abzusprechen sei dem Buddhismus eine strukturelle Hierarchie sowie ein Mann-Frau-Gefälle – nicht anders allerdings als in anderen Religionen.

Mönch Sunim bestürzt über Flugblätter

Im Interview mit dem „Standard“ vom 14. Februar zeigte sich Bop Jon Sunim, buddhistischer Mönch und Mitinitiator des geplanten Baus, bestürzt über die Flugblätter. Noch bis eine Woche vor der Befragung über den Bau des buddhistischen Zentrums seien die Rückmeldungen aus der Bevölkerung überwiegend positiv gewesen. Das „Nein“ der Gföhler sei „sicher auch eine Konsequenz dieser Aussendungen“. Die Vorwürfe der Pädophilie und der Nähe zum Nationalsozialismus seien „unvorstellbar“. Auch der Chef des BZÖ Niederösterreich, Ewald Stadler, habe Hass geschürt, so der aus Korea stammende Mönch. Stadler hatte im "Kurier“ zum Stupa-Bau gesagt: "Wir brauchen diesen Götzentempel nicht.“

„Sehr viel Hass geschürt“

Als größtes „Weltfriedensdenkmal“ Europas war der Sakralbau geplant gewesen, als Vorbild diente ein ähnliches Bauwerk im ungarischen Zalaszanto. Hinter dem Projekt stehen die Lotos-Lindmayer-Privatstiftung und der Pyung Hwa Sa Friedensverein. Seitens der Gegner sei "sehr viel Hass geschürt" worden, so Elisabeth Lindmayer von der Lotos-Lindmayer-Privatstiftung, die den Stupa-Bau unterstützt hatte, zur APA, "in einem Ausmaß, das ich gar nicht mehr für möglich gehalten hätte.“ Zur Zukunft des Bauprojekts sagte Lindmayer gegenüber religion.ORF.at, es seien viele neue Angebote an die Betreiber herangetragen worden, Projektleiter Sunim sei allerdings „sehr vorsichtig“ geworden.

ÖBR-Präsident: „Situation auf Normalität herunterfahren“

Gerhard Weißgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR), sagte zu religion.ORF.at, die Flugblätter seien aus unterschiedlichen Internetseiten zusammengestückelt, weshalb es aussichtslos sei, ihnen „breitflächig zu widersprechen“. Sie seien allerdings für „einen normal denkenden Menschen mit einem Funken Hausverstand, der das liest“, ohnehin klar als absurd erkennbar. Wegen der Sache vor Gericht zu gehen, ist für Weißgrab kein Thema, es gelte vielmehr, „die Situation auf Normalität herunterzufahren“.

Herabwürdigung religiöser Lehren?

Dennoch wird die Sache ein Nachspiel haben: Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Niederösterreich leitete den Fall nach Überprüfung an die Staatsanwaltschaft Krems weiter. Nach der strafrechtlichen Beurteilung droht eine Verurteilung wegen des Strafbestands der „Herabwürdigung religiöser Lehren“, so das Bundesministerium für Inneres.

 

(religion.ORF.at/Johanna Grillmayer)

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