Missbrauch: Acht Mio. Euro durch Klasnic-Kommission zuerkannt
Die vor zwei Jahren von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte „Unabhängige Opferschutzanwaltschaft“ hat von Missbrauch Betroffenen bisher insgesamt acht Millionen Euro finanzielle Hilfe zuerkannt. 613 Fälle habe man positiv entscheiden können, zog die Vorsitzende Waltraud Klasnic am Dienstag in einer Pressekonferenz Bilanz. Bis Ende des Jahres wolle man den Großteil der Meldungen entschieden haben. Drei Viertel aller Betroffenen waren Männer.
Insgesamt langten per Stichtag 3. April 2012 1.244 Meldungen bei der Klasnic-Kommission ein, davon betrafen 1.129 Gewalt oder Missbrauch durch Vertreter der römisch-katholischen Kirche in Österreich. Mit 840 Meldungen waren 75,4 Prozent der Betroffenen Männer. Die meisten Fälle wurden in Oberösterreich (239), Tirol (227) und Wien (186) registriert, im Burgenland waren hingegen nur elf Personen betroffen.
23.500 Therapiestunden zuerkannt
Insgesamt 702 Beschlüsse fasste die Opferschutzanwaltschaft in zwei Jahre. Neben den 613 positiv abgeschlossenen Fällen gab es auch 19 Ablehnungen. In den restlichen Fällen wurden die Betroffenen etwa zu passenderen Stellen weitergeleitet. Nicht nur finanzielle Hilfestellung, welche die von der Kirche eingerichtete Stiftung Opferschutz übernimmt, wurde geleistet, auch 23.500 Therapiestunden erkannte die Klasnic-Kommission zu.
Zwei Drittel der Vorfälle in Ordenseinrichtungen
Rund zwei Drittel der Opfer waren mit sexuellem Missbrauch konfrontiert. Was den Zeitraum der Taten betrifft, fallen 40 Prozent der Fälle in die 1960er Jahre. Bei den meisten der Betroffenen (46,3 Prozent) begannen die Vorfälle im Alter von zehn bis 13 Jahren, im Volksschulalter waren es rund 31 Prozent. Im Durchschnitt waren die Opfer über eine Dauer von vier Jahren ausgeliefert. Zwei Drittel der Vorfälle ereigneten sich in Ordenseinrichtungen.
Klasnic will Präventionsplattform
Klasnic, wünscht sich eine Einrichtung, die Missbrauch in öffentlichen und privaten Einrichtungen vorbeugen soll. „Wir brauchen eine Präventionsplattform“, lautete die Forderung am Dienstag in einer Pressekonferenz anlässlich der Zwei-Jahres-Bilanz ihrer Kommission. Gegen Kritik, man agiere unter Einfluss der Kirche, wehrte sie sich: „Ich lege viel Wert auf das Wort 'unabhängig'.“
„Anlaufstelle des Vertrauens“
„Wir sind so etwas wie eine Anlaufstelle des Vertrauens geworden“, resümierte Klasnic, die zugab, dass ihr die Tragweite zu Beginn ihrer Tätigkeit nicht in diesem Ausmaß bewusst gewesen sei. Für das erste Quartal 2013 hat sich die Opferschutzanwaltschaft nun einen umfangreichen Abschlussbericht vorgenommen. „Das ist aber noch kein Schlussstrich“, betonte Klasnic. Erfreut zeigte sich die ehemalige steirische Landeshauptfrau über das gewachsene Bewusstsein in der Bevölkerung Missbrauch betreffend: „Die Mauer des Schweigens und der geschlossenen Systeme wurde durchbrochen.“
Plausibilitätsprüfung, keine Urteile
Kritik, vor allem der Plattform „Betroffene kirchlicher Gewalt“, man befasse nicht mit den Tätern, entgegnete Caroline List, Richterin und Kommissionsmitglied: „Was wir tun ist eine Plausibilitätsprüfung.“ Entscheidungen der Opferschutzanwaltschaft seien keine Urteile, da die mutmaßlichen Täter nicht angehört würden. Dass, wie die Plattform behauptete, rund 40 verdächtigte Priester nach wie vor im Amt seien, konnte List nicht bestätigen. „Ich würde ganz dringend darum bitten, dass diese Namen bekanntgegeben werden.“ Nur dann könne „dementsprechend gehandelt“ werden.
Kompetenzerweiterung des „Weißen Rings“
Klasnic begrüßte auch die Kompetenzerweiterung des Hilfsvereins „Weißer Ring“ durch die Regierung. „Ich bin sehr froh, dass der Bund nach zwei Jahren reagiert hat“, verwies sie auf eine bereits lange von der Kommission gestellte Forderung. Ebenfalls Freude bei der Vorsitzenden löst die wissenschaftliche Begleitforschung der Klasnic-Kommission durch die Universität Wien aus. Das Projekt laufe bis November 2012, dann könne man auch erste Ergebnisse vorstellen, so Brigitte Lueger-Schuster.
(APA)
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