Kirchenfinanzierung: Debatten in Spanien und Deutschland
Spaniens oppositionelle Sozialisten haben am Montag in allen Gemeinden des Landes Anträge für eine Erhebung der Immobiliengrundsteuer für die katholische Kirche gestellt. Außerdem fordern Sozialisten die Kürzung der Kirchensteuer. In Deutschland sorgt ein Vorschlag der Grünen, zur Umwandlung der Kirchensteuer in eine „Kulturabgabe“ für Diskussionen.
Auf Grundlage spanischer Finanzgesetze und der Verträge von 1979 und 1998 zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl ist die Kirche von der Grundsteuer auf Immobilien befreit. Zur Überwindung der gegenwärtigen Finanzkrise müsse "Schluss sein mit den Privilegien für die Kirche", begründeten die Sozialisten ihren Vorstoß.
„Kirche soll Beitrag leisten“
Der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Perez Rubalcaba erklärte in Madrid, Kirchengebäude sollten weiterhin von der Steuer verschont bleiben. "Eine andere Geschichte aber sind die Parkhäuser neben der Kathedrale, mit denen die Kirche Geld verdient", so Perez Rubalcaba. Weiterhin fordern die Sozialisten, die Auszahlung der Kirchensteuer um 20 Prozent zu kürzen. Auch die Kirche solle "größere Beiträge zur Überwindung der Finanzkrise" leisten.
„Vatikan-Verträge nicht antasten“
Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) bezeichnete die Offensive der sozialistischen Opposition gegen die katholische Kirche als politischen Opportunismus. Die sozialistische Vorgängerregierung habe sich in den vergangenen zwei Legislaturperioden trotz anderslautender Wahlversprechen immer dagegen gewehrt, die Verträge mit dem Vatikan anzutasten. "Wir sollten versuchen, seriös zu bleiben", so Rajoy weiter. Die konservative Volkspartei hatte bereits in der vergangenen Woche mit ihrer absoluten Mehrheit im spanischen Parlament einen Antrag der Vereinigten Linken (IU) und der PSOE abgelehnt, die katholische Kirche mit der Immobiliengrundsteuer zu belegen.
Kulturabgabe nach italienischem Vorbild
In Deutschland fordern indessen einige Grün-Politiker den Umbau des Kirchensteuersystems. Der Vorschlag, statt der Kirchensteuer eine Kulturabgabe nach italienischem Vorbild einzuführen, stößt jedoch bei Vertretern von Politik und auf Kritik. Zu den Gegnern des Ansinnens gehören laut einem Bericht der „Welt“ die kirchenpolitischen Sprecherinnen der christdemokratischen und der sozialdemokratischen Fraktionen im Bundestag, Maria Flachsbarth (CDU) und Kerstin Griese (SPD), sowie Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Beitrag an „Institution meiner Wahl“
Anlass der Debatte ist ein vor zwei Wochen im Internet von katholischen Grünen-Politikern veröffentlichter "Beitrag zum Dialog in der Katholischen Kirche". Darin sprechen sich die Unterzeichner für eine Kulturabgabe aus, wie sie in Italien üblich ist. Dort könne jeder Erwerbstätige einen Beitrag an eine wohltätige oder religiöse Institution seiner Wahl entrichten, heißt es in dem Papier. Es sei nicht sinnvoll, "zuzuschauen, wie viele Menschen wegen der Kirchensteuer aus unserer Kirche austreten".
Leistungen der Kirche „auf anderer Ebene“
Zu den Unterstützern der Erklärung gehören unter anderen die Bundestagsabgeordneten Agnieszka Brugger, Gerhard Schick und Josef Winkler. Winkler sitzt auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Maria Flachsbarth kritisierte hingegen die Grünen und warnte davor, die Leistungen der Kirchen auf eine Ebene mit den Angeboten anderer kultureller Institutionen zu stellen. "Der Staat profitiert enorm vom Handeln der Kirchen, und das kann nicht ersatzweise von anderen übernommen werden", sagte sie der "Welt". Daher wolle die Union an der Kirchensteuer festhalten.
Engere Verbindung zwischen Kirche und Staat
Kerstin Griese bezweifelte der Zeitung zufolge, dass eine Kulturabgabe Menschen daran hindern könnte, aus Spargründen aus der Kirche auszutreten. Zumindest im katholischen Bereich träten die Menschen "nicht vorrangig wegen der Kirchensteuerpflicht aus, sondern vor allem wegen der Empörung etwa über die Missbrauchsskandale", sagte Griese. Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, Hans Michael Heinig, nannte den Grünen-Vorschlag "untauglich". Die Kulturabgabe würde zu einer viel engeren Verbindung zwischen den Kirchen und dem Staat führen.
Eingriff in kirchliche Finanzplanung
Zur Begründung sagte der Göttinger Staatsrechtler: "Während bislang die Kirchen selbst über die Höhe der Kirchensteuern bestimmen, müsste die Kulturabgabe vom Staat festgesetzt werden. Somit würde der Staat in die kirchliche Finanzplanung eingreifen und die Kirchen gerieten in neue Abhängigkeit vom Staat." Ablehnend äußerte sich auch der Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten. "Die Kirchensteuer ist keine Steuer des Staates, der Staat verdient nur daran. Mit dem deutschen Staatskirchenrecht sei eine Kulturabgabe "nicht vereinbar".
Deutschland: Kirchensteuer staatlich verwaltet
DBK-Vorsitzender Erzbischof Robert Zollitsch wandte sich gegen die Vorstellung, bei der Kirchensteuer handle es sich um eine staatliche Subvention der Kirchen. Die Steuer sei vielmehr "ein Mittel der Selbstfinanzierung der Kirche durch ihre Mitglieder". In Deutschland ist die Kirchensteuer eine gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder. Sie beträgt in der Regel neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer, in Baden-Württemberg und Bayern sind es acht Prozent. Sie wird über das staatliche Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben. Der Staat erhält für diesen Dienst etwa drei Prozent des Steuereinkommens.
Steigende Einnahmen
Die daraus resultierenden Steuereinnahmen der beiden großen Kirchen in Deutschland waren im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Bei der katholischen Kirche kletterten sie auf den zweithöchsten Stand seit der Wiedervereinigung und erreichten rund 4,918 Milliarden Euro. Das waren 2,6 Prozent mehr als 2010, als sich die Einnahmen auf 4,794 Milliarden Euro beliefen.
(KAP/religion.ORF.at)
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