Kommentar

"Papst wird in Auschwitz Gesten der Versöhnung setzen"

Benedikt XVI. wird bei seinem Besuch im einstigen deutschen KZ Auschwitz und dem angeschlossenen Vernichtungslager Birkenau wichtige Versöhnungszeichen setzen, sagte der Leiter des Krakauer "Johannes Paul II.-Zentrums", Andrzej Zoll, am Freitag im Gespräch mit österreichischen Journalisten.

Wichtig sei, dass der Papst auch in das "Zentrum für Dialog und Versöhnung" kommen werde, das 1992 in der Stadt Oswiecim (Auschwitz) eingerichtet wurde, so Zoll laut "Kathpress". Mit diesem Zentrum, das von dem Aachener Priester Manfred Deselaers geleitet wird, habe Oswiecim einen Ort bekommen, "an dem etwas überaus Wichtiges für die Zukunft geschieht".

Dialogzentrum in Oswiecim

Zoll berichtete, dass es ein Projekt für den Aufbau einer mit dem Dialogzentrum verbundenen "Akademie für Menschenrechte" in Oswiecim gebe. Oswiecim könnte eine Stadt werden, in der maßgebende Persönlichkeiten des Menschenrechtsengagements wie etwa Imre Kertesz (der ungarische Literatur-Nobelpreisträger) regelmäßig zu hören sein würden. Der Papst habe sich bei der Verleihung der Menschenrechtspreise, die das "Johannes Paul II.-Zentrum" im Drei-Jahres-Rhythmus vergibt, sehr positiv über das Vorhaben einer solchen Akademie in Oswiecim geäußert, so Zoll.

Die Stadt muss auch eine Zukunft haben

Die namentliche Unterscheidung soll klar voneinander zu trennende Inhalte verdeutlichen, betonte Zoll: "Auschwitz-Birkenau, das war ein deutsches Konzentrationslager. Die Stadt heißt Oswiecim, und wir möchten diesen Namen auch im Ausland benützen. Oswiecim hat seine 700 Jahre Geschichte, das ist eine Stadt, wo viele junge Menschen leben. Die müssen eine Zukunft haben, und sie müssen auch positive Punkte haben, sie können nicht auf dem Friedhof leben. Darum benutzen wir diese zwei Namen".

"Radio Maryja" könnte Polens Kirche spalten

Der umstrittene Radiosender "Radio Maryja könnte nach Ansicht von  Zoll ein sehr wichtiges Evangelisierungsmedium sein, aber auch ein Mittel zur Teilung der Kirche." Er hoffe, "dass wir in Polen nach dem Besuch Benedikts XVI. eine Lösung finden", so Zoll. "Strenge, harte" Schritte hinsichtlich des Radios vor der derzeit stattfindenden Visite des Papstes hätten "gefährlich" sein können, da sie den Besuch überschatten hätten können, meinte Zoll, der früher das Amt des vom polnischen Parlament eingesetzten Ombudsmanns für Bürgerrechte ausübte. Mit der Schaffung eines Programmrates seien bereits erste Schritte gesetzt worden, durch die es nun eine "innere Zensur" innerhalb des Senders gebe.

Kein "katholisches Radio"

Dass gegen das als antisemitisch kritisierte Medium bisher keine deutlicheren Maßnahmen ergriffen wurden, begründet Zoll auch mit den religiösen Inhalten von "Radio Maryja", das etwa vier Millionen ständige Zuhörer habe. Wenn es um religiös-geistliche Fragen gehe, seien die Sendungen auf einem sehr guten Niveau. "Darum unterstützen viele katholische Bischöfe dieses Radio." Die politischen "Zwischenrufe" im Programm seien jedoch ein "besonders großes Problem". Für ihn stelle sich die Frage, ob "Radio Maryja" überhaupt als katholisch zu bezeichnen sei. "Das ist ein Radio mit vielen katholischen Inhalten, aber ich meine, das ist kein katholisches Radio", so der Präsident des Johannes Paul II.-Zentrums.

Publizist: "Papst hat heiklen Punkt der Kirche angesprochen"

Nach Ansicht des Chefredakteurs der traditionsreichen katholischen Wochenzeitung "Tygodnik Powszechny", P. Adam Boniecki, hat Papst Benedikt XVI. mit seinen Aussagen in der Warschauer Johanneskathedrale mit einer "entschiedenen und klärenden Intervention" in die Debatte um die Verstrickung katholischer Priester in die Umtriebe der kommunistischen Sicherheitsdienste eingegriffen.

Wichtige Ermahnung zum Verzicht auf Anmaßung

Der Papst habe einen empfindlichen Punkt berührt, sagte P. Boniecki in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "Avvenire" am Freitag. Bis vor wenigen Wochen sei die Kirche in Polen der schmerzhaften Frage der mit dem Regime kollaborierenden Priester ausgewichen. In dieser Situation sei die Ermahnung des Papstes zu demütiger Ernsthaftigkeit und zum Verzicht auf Anmaßung außerordentlich wichtig, so der Publizist. Benedikt XVI. habe sich mit Mut und Klarheit zu einem für Polen heiklen Thema geäußert, sagte P. Boniecki, der auch lange Jahre Chefredakteur der polnischen Wochenausgabe des "Osservatore Romano" war.

 

 

 

 

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