News 20. 02. 2009

Kirche will mit Williamsons Ausweisung nichts zu tun haben

Argentinien hat den britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson zur Ausreise aufgefordert. Dem Bischof der Piusbruderschaft sei eine Frist von zehn Tagen gesetzt worden, um das Land zu verlassen, teilte das Innenministerium am Donnerstag mit. Die Kirche hat laut einem Mitglied der Kurie mit der argentinischen Entscheidung "nicht zu tun".

Kommt Williamson der Aufforderung nicht nach, wird er laut Mitteilung des argentinischen Innenministeriums abgeschoben. Williamson hatte jahrelang ein Priesterseminar seiner Bruderschaft in Argentinien geleitet. Als Begründung für die Ausweisung nannte Innenminister Florencio Randazzo die Leugnung der Shoa durch Williamson. Dadurch habe er "die Argentinier, das jüdische Volk und die ganze Menschheit" beleidigt. Außerdem gebe es "Unregelmäßigkeiten" in seinen Aufenthaltspapieren. Williamson, der britischer Staatsbürger ist, habe gegen Aufenthaltsbestimmungen verstoßen. Er habe sich als Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation bezeichnet und damit die tatsächlichen Gründe seines Aufenthaltes verschwiegen.

Vatikan: "Anwendung staatlicher Gesetze"

"Die Kirche hat damit nichts zu tun. Der argentinische Staat hat seine Gesetze angewandt", betonte der Sekretär der Apostolischen Signatur, Erzbischof Velasio De Paolis, im Gespräch mit der "Repubblica". Zuvor hatte Vatikan-Sprecher P. Federico Lombardi SJ eine offizielle Stellungnahme zu dem Vorgang abgelehnt. De Paolis stellte im Gespräch mit der "Repubblica" neuerlich klar, dass die Rücknahme der Exkommunikation keinerlei "Rehabilitierung" Williamsons und der anderen lefebvristischen Bischöfe bedeutete. Vielmehr habe es sich um einen ersten Schritt gehandelt, dem nun ein Dialog zu folgen habe, in dessen Verlauf die Lefebvristen die Festlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils voll anerkennen müssten.

Jüdischer Weltkongress begrüßt Ausweisung

Der für Religionsfragen zuständige argentinische Minister Guillermo Oliveri erklärte, Williamsons Äußerungen hätten bei der Entscheidung der Regierung vom Donnerstag eine entscheidende Rolle gespielt, schließlich habe er "eine der größten Tragödien der Menschheit geleugnet". Die Ausweisung sei ein Grund zum Feiern, sagte der Präsident der 200.000 Mitglieder vertretenden argentinischen Vereinigung israelitischer Organisationen, Aldo Donzis. In Argentinien wird jetzt ein Gesetzentwurf erwartet, der die Leugnung des Holocausts und anderer Menschheitsverbrechen unter Strafe stellt. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald Lauder, begrüßte laut "Kathpress" die Ankündigung, dass Williamson aus Argentinien ausgewiesen wird. Die Regierung von Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner mache "glasklar, dass Holocaust-Leugner im Land nicht willkommen sind". Leider seien andere Staaten und Regierungen weniger geneigt, der Verleumdung von Opfern der Shoah entschieden entgegenzutreten, sagte Lauder.

Williamson lehnt Widerruf der Holocaust-Leugnung ab

Im Januar hatte Papst Benedikt XVI. die Exkommunizierung des 68-Jährigen und drei weiterer Bischäfe der Piusbruderschaft zurückgenommen und damit für weltweite Empörung gesorgt. Williamson hatte in einem fast zeitgleich mit der Rücknahme der Exkommunizierung ausgestrahlten TV-Interview behauptet, während der Nazi-Diktatur seien nicht sechs Millionen Juden, sondern 200 000 bis 300 000 in Nazi-Lagern ums Leben gekommen und keiner von ihnen in Gaskammern. Am 8. Februar hatte die Piusbruderschaft, die sich von den Äußerungen Williamsons distanzierte, dem Bischof bereits die Leitung eines Priesterseminars in der Nähe der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entzogen. Den von Papst Benedikt XVI. geforderten Widerruf lehnt Williamson bisher ab. Er müsse erst die Fakten neu bewerten.

 

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