News 07. 05. 2009

Kurienkardinal Lajolo: Pius XII. intervenierte 1943 für die Juden bei Hitler

Pius XII. scheiterte im November 1943 bei Adolf Hitler mit dem Versuch, zugunsten der verfolgten Juden diplomatisch zu intervenieren. Diese wenig bekannte Tatsache und ihren außergewöhnlichen Verlauf schildert der frühere Vatikandiplomat und heutige Kurienkardinal Giovanni Lajolo in einem bislang unveröffent-lichten Grußwort, das er der deut-schen katholischen Nachrichten-agentur KNA nun zur Veröffentlichung freigab.

Der frühere Vatikandiplomat und heutige Kurienkardinal Giovanni Lajolo zitiert aus einem Dokument des einstigen Nuntius in Berlin, Erzbischof Cesare Orsenigo, der den Heiligen Stuhl von 1930 bis 1946 in der deutschen Hauptstadt vertreten hatte: "Im Auftrag des Papstes bin ich vor einigen Tagen nach Berchtesgaden geflogen. Ich wurde von Hitler empfangen, aber sobald ich das Thema Juden und Judentum, Milde und Menschlichkeit der Behandlung angeschnitten hatte, drehte sich Hitler um, ging ans Fenster und trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe. Sie können sich vorstellen, wie peinlich es mir war, im Rücken meines Gesprächspartners mein Vorhaben vorzutragen. Ich tat es trotzdem. Dann drehte sich Hitler plötzlich um, ging zu einem Tisch, wo ein Glas Wasser stand, fasste es und schleuderte es wütend auf den Boden. Mit dieser hochdiplomati-schen und staatsmännischen Geste durfte ich meine Mission als beendet und gleichzeitig leider als abgelehnt betrachten".

Historische Spurensuche

Die Szene wird auch in dem 1998 erschienenen Buch der italienischen Historikerin Monica Biffi "Mons. Cesare Orsenigo: nunzio apostolico in Germania" geschildert. Orsenigo soll ausdrücklich auch davon gesprochen haben, dass jüdische Menschen durch Gas vernichtet würden.

Erfolgloser Vorschlag

Bereits im Mai 1939 war laut Lajolo auch ein anderer Vorschlag des Papstes erfolglos geblieben, den er Hitler durch Erzbischof Orsenigo überbringen ließ. Darin hatte Pius XII. eine Fünf-Mächte-Konferenz vorgeschlagen, um die drohende kriegerische Auseinander-setzungen friedlich zu lösen. Orsenigo war demnach am 5. Mai 1939 auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden, um Hitler den päpstlichen Vorschlag zu unterbreiten. Pius XII. plädierte in dem Vorschlag für eine Konferenz von Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Polen zur Lösung der Fragen, an denen sich kriegerische Auseinander-setzungen zu entzünden drohten.

Barsche Anklagerede

"Leider stieß der Nuntius auf ein nur sehr oberflächliches Interesse", so Lajolo. Trotz der Zusicherung, Deutschland hege keine kriegerischen Absichten, habe Hitler Wert darauf gelegt, dem Nuntius mitzuteilen, er sei "gegen Frankreich unschlagbar gerüstet", und "auch an seiner Ostgrenze sei Deutschland gegen Polen gut befestigt und werde noch besser befestigt werden". Zudem habe er eine barsche Anklagerede gegen Großbritannien zu hören bekommen, berichtete Orsenigo in den Vatikan.

Nuntius in Deutschland

Lajolo war zwischen 1995 und 2003 Apostolischer Nuntius in Deutschland, in dieser Zeit verfasste er die jetzt veröffentlichten Äußerungen. Anschließend war er bis 2006 "Außenminister" des Heiligen Stuhls. Derzeit ist Lajolo mit der Verwaltung des Vatikanstaats betraut.

 

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