News 14. 10. 2009

EU sieht leichte Fortschritte bei Religionsfreiheit in Türkei

Die EU-Kommission hat der Türkei leichte Fortschritte beim Umgang mit religiösen Minderheiten bescheinigt. Bei anderen Menschenrechten stünden Verbesserungen noch aus, heißt es in dem am Mittwoch in Brüssel vorgelegten jährlichen Türkei-Bericht. Die EU-Kommission prangerte etwa “Ehrenmorde” und Foltervorwürfe an.

Zu den religiösen Minderheiten heißt es, das im Februar 2008 angenommene Gesetz über religiöse Stiftungen werde allmählich umgesetzt. Zudem seien dem Ökumenischen Patriarchat Anträge auf Arbeitserlaubnisse bewilligt worden, die Antragsverfahren blieben aber beschwerlich. Die türkische Regierung habe auch ihre Beziehungen zu den Aleviten verbessert und sich für deren frühere staatliche Verfolgung entschuldigt.

Priesterseminar in Chalki

Allerdings fehle es nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften weiter an einem angemessenen Rechtsstatus, kritisiert die EU-Kommission. Einschränkungen für die Ausbildung der Geistlichen dauerten an, das Patriarchats-Priesterseminar Chalki sei weiter geschlossen. Der Ökumenische Patriarch dürfe diesen Titel weiter nicht bei allen Anlässen führen.

Schikanen und Übergriffe

Beklagt wird auch, dass die Religionskunde in den türkischen Schulen weiter stark auf Grundkenntnisse des Islam ausgerichtet sei. Nichtmuslimische Religionsgemeinschaften erlebten zudem häufig Benachteiligung und Schikanen bei ihren Gotteshäusern, heißt es weiter. So gebe es derzeit Gerichtsverfahren zu protestantischen Kirchen, Gebetsstätten der Zeugen Jehovas und Versammlungs-häusern der Aleviten. Daneben dauerten Übergriffe gegen Minderheiten an. So sei eine Bibel-Buchhandlung in Adana bereits zwei Mal mutwillig beschädigt worden, Missionare würden als Angriff auf die Einheit des Landes betrachtet. Kriegsdienstverweigerer aus religiösen Gründen stünden vor Gericht.

Justizreform

Zu den Forderungen der EU-Kommission an die Türkei gehört unter anderem, Menschenrechtsverletzer strenger juristisch zu verfolgen. Die türkischen Gesetze garantierten immer noch nicht ausreichend die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Begrüßt wird von der EU-Kommission die jüngste Justizreform. Bedenken zur Neutralität der Richter bestünden aber fort.

"Ehrenmorde" und Foltervorwürfe

Die Europäische Union hat der Türkei vier Jahre nach Beginn der Beitrittsver-handlungen allerdings auch erhebliche Defizite bei den Bürgerrechten und der Meinungsfreiheit bescheinigt. Die EU-Kommission prangerte in ihrem am Mittwoch in Brüssel vorgelegten Fortschrittsbericht unter anderem sogenannte Ehrenmorde und Foltervorwürfe an. Zugleich rief die Kommission zur Öffnung der "Berliner Mauer" auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern auf.

Frauenrechte

"Wir erwarten, dass die Türkei ihre demokratischen Reformen wieder mit Leben erfüllt", sagte EU-Erweiterungs-kommissar Olli Rehn bei der Vorstellung des Jahresberichts. Sorge bereiten der EU unter anderem die Frauenrechte. "Häusliche Gewalt, Ehrenmorde und erzwungene Hochzeiten sind immer noch schwerwiegende Probleme", heißt es in dem Bericht. Die Kommission zitiert eine Regierungsstudie, nach der 39 Prozent der türkischen Frauen über körperliche Gewalt klagen und 15 Prozent über sexuellen Missbrauch.

Foltervorwürfe

Grund zur Sorge sind laut dem Bericht auch Vorwürfe der Folter sowie Misshandlungen durch Staatsbeamte. "Journalisten und andere Intellektuelle werden für ihre Arbeit immer noch drangsaliert", kritisierte Rehn. "Sehr enttäuscht" zeigte sich der finnische Kommissar über den erneuten Prozess gegen Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk wegen Äußerungen zur Armenierfrage. Der FDP-Europa-abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff nannte das harte Vorgehen gegen Regierungskritiker "für einen Beitrittskandidaten nicht akzeptabel".

Versöhnung mit Armenien

Als "historischen Meilenstein" lobte die Kommission dagegen das Versöhnungsabkommen der Türkei mit Armenien. Am Wochenende hatten beide Länder Protokolle unterzeichnet, welche die Grenzöffnung und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vorsehen. Rückschläge fürchtet Brüssel dagegen bei den Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der geteilten Insel Zypern. "Es ist ein Anachronismus, dass es immer noch eine Berliner Mauer auf Zypern gibt", sagte Rehn. Zypern ist seit einem griechisch-zyprischen Putsch und einer anschließenden türkischen Militärintervention 1974 geteilt.

 

 

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