News 02. 03. 2010

Verein ehemaliger Heimkinder: Viel mehr Missbrauchsopfer als angenommen

In Deutschland geht der Verein ehemaliger Heimkinder davon aus, dass viel mehr Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen sexuell missbraucht worden sind als bislang angenommen.

Rund 70 Prozent der 450 Mitglieder wurden nach Einschätzung der Vereinsvorsitzenden Monika Tschapek-Güntner in der Kindheit und Jugend in Heimen missbraucht. Tschapek-Güntner bestätigte damit am Dienstag einen Bericht der "Berliner Zeitung". Der Missbrauch reiche bis zur Vergewaltigung. Der Großteil ihrer Vereinsmitglieder - rund 80 Prozent - sei in katholischen Heimen aufgewachsen. Seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals an Jesuitenschulen meldeten sich jeden Tag zahlreiche Opfer bei ihr. "Leute rufen an und sagen: "Mir ist das auch passiert"", sagte Tschapek-Güntner. "Die Menschen halten es nicht mehr aus und müssen reden."

"Decke der Verschwiegenheit ausgebreitet"

Tschapek-Güntner warf der Katholischen Kirche "Falschheit" vor. Zwar wolle die Kirche den Eindruck erwecken, die Missbrauchsfälle aufklären zu wollen, jahrelang habe sie Opfer aber unter Druck gesetzt oder mit Geld zum Schweigen gebracht. "Da wird die Decke der Verschwiegenheit ausgebreitet. Das ist grausam und das halten wir kaum aus." Der Verein ehemaliger Heimkinder (VEH) mit Sitz im hessischen Rodgau kümmert sich vor allem um Menschen, die als Kinder in Heimen Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch geworden sind. Für diese fordert der VEH seit Jahren eine Entschädigung. Die nach Vereinsschätzungen deutschlandweit rund 500.000 Betroffenen sollen eine Entschädigung von jeweils 50.000 Euro erhalten - insgesamt 25 Millionen Euro.

Drei Benediktiner suspendiert

Nach dem Missbrauchsskandal am Benediktinerkloster Ettal in Bayern wurden drei Mönche des Klosters Wechselburg in Sachsen suspendiert. Das teilte das Bistum Dresden-Meißen am Dienstag mit. Gegen sie lägen Missbrauchsvorwürfe aus ihrer Zeit an der Schule und dem Internat in Ettal vor. Was genau den Männern vorgeworfen wird, wisse man nicht, sagte ein Bistumssprecher. Bischof Joachim Reinelt sei auch erst in der vergangenen Woche und damit später als vorgeschrieben über den Fall informiert worden. Der Ettaler Abt Barnabas Bögle, der noch die Freistellung der Wechselburger Ordensmänner verfügt hatte, war in der vergangenen Woche von seinem Amt zurückgetreten. Im Kloster Ettal sowie anderen Einrichtungen der katholischen Kirche sollen Schüler von Geistlichen missbraucht oder misshandelt worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Verdachtsfälle aus dem Kloster Wechselburg gab es bislang nach Angaben des Bistums nicht. Einer der drei Mönche sei für das Jugend- und Familienhaus des Klosters in Wechselburg verantwortlich gewesen. Bischof Joachim Reinelt äußerte sich tief betroffen. Das Bistum werde Anhaltspunkten auf mögliche Verdachtsfälle gründlich nachgehen. 

  

 

 

Link:

- Private Internetseite für Betroffene mit Petition

 

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