News 01. 03. 2010

Erzbischof Zollitsch: Kein Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sieht die zahlreichen Missbrauchsfälle nicht als spezifisches Problem der katholischen Kirche. "Es hat weder etwas mit dem Zölibat zu tun, noch mit Homosexualität, noch mit der katholischen Sexuallehre", sagte der Freiburger Erzbischof der "Welt am Sonntag". "Deshalb brauchen wir auch keinen Runden Tisch speziell für die katholische Kirche", so Zollitsch. Einen solchen Runden Tisch hatte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgeschlagen.

Sollte Leutheusser-Schnarrenberger einen Runden Tisch für alle gesellschaftlich relevanten Gruppen einrichten, werde die Kirche natürlich dabei sein, betonte Zollitsch. Jedenfalls nehme er die Einladung zu einem Gespräch an. Angesichts immer weiterer Missbrauchsfälle hatte sich die FDP-Politikerin für einen Runden Tisch ausgesprochen. Der Geistliche hält es nach eigenen Worten für positiv, wenn über die Verlängerung der Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch debattiert wird. "Dabei sind die Anliegen der Opfer sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass die Taten oft lange zurückliegen."

Zollitsch: Kirche hat dazugelernt

Die Kirche habe nach den Taten vor vielen Jahren geglaubt, dass so etwas nicht mehr vorkomme, wenn die Täter ihr Unrecht einsähen. "Es war naiv, das zu glauben", sagte Zollitsch. Gleichzeitig habe man damals das Thema anders beurteilt. "Es gab in den 70er Jahren eine Diskussion, ob die Strafbarkeit von Sexualität mit Kindern abgeschafft werden sollte. Wir haben das von der Moraltheologie her immer abgelehnt. Aber der Umgang mit dem Thema war nicht reflektiert. Da haben wir dazugelernt."

Bischof von Münster "zutiefst beschämt"

In deutlicher Form hat sich der Münsteraner Bischof Felix Genn für den sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Priester entschuldigt. In einem am Sonntag in den Gemeinden verlesenen Bischofswort zeigte er sich "erschüttert" darüber, dass es auch im Bistum Münster zu Missbrauchsfällen gekommen sei: "Das unsägliche Leid, das von kirchlichen Verantwortlichen wehrlosen Kindern zugefügt worden ist, beschämt mich zutiefst. Ich entschuldige mich bei allen Opfern dieser verabscheuungswürdigen Taten, ermutige sie, uns Übergriffe mitzuteilen und versichere sie unserer Hilfe." Eine schonungslose Aufklärung liege ihm "wegen der Leiden der Opfer" am Herzen, betonte Genn. "Die Opfer von sexuellem Missbrauch verdienen zuerst und vor allem unser Mitgefühl und unsere Hilfe", schrieb der Bischof nach Mitteilung seines Bistums. Die Verursacher müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Hans Küng gibt Zölibat Mitschuld für Missbrauchsfälle

Der Tübinger Theologe Hans Küng gibt dem Zölibats-Gebot für Geistliche eine Mitschuld an dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an katholischen Schulen. Es sei auffällig, dass Kindesmissbrauch "massenhaft gerade in der von Zölibatären geleiteten katholischen Kirche" vorkomme, schrieb Küng in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag-Ausgabe).

Zölibat widerspricht dem Evangelium

Das Zölibatsgesetz widerspreche dem Evangelium und gehöre abgeschafft, so Küng. Der Theologe verweist dazu unter anderem auf den 1. Korintherbrief, Kapitel 7, Vers 2: "Wegen der Versuchung zur Unzucht soll jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann haben", zitiert Küng. Im System der römisch-katholischen Kirche diene der Zölibat vor allem dazu, dass sich der Klerus durch seine Ehelosigkeit vom christlichen Volk abhebe. Zugleich sei er "der strukturell wichtigste Ausdruck einer verkrampften Einstellung der katholischen Kirchenleitung zur Sexualität". Viele Probleme der Kirche wie etwa der Priestermangel ließen sich lösen, wenn Kleriker heiraten dürften und auch Frauen zur Ordination zugelassen würden. "Die Bischöfe wissen das, sollten aber auch den Mut haben, es auszusprechen. Sie hätten die große Mehrheit der Bevölkerung und auch der Katholiken hinter sich", schreibt der der Theologe.

Anwältin für externe Untersuchung

In dem Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern in katholischen Einrichtungen kommen in Deutschland immer weitere Fälle aus der Vergangenheit ans Licht. Etwa 150 Opfer aus ganz Deutschland hätten sich bisher gemeldet, sagte die Berliner Anwältin Ursula Raue der "Berliner Morgenpost" (Samstag-Ausgabe). Sie ist die Beauftragte des Jesuitenordens zur Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch Patres. Jeden Tag berichteten ihr weitere Männer und Frauen von Übergriffen an katholischen Einrichtungen in den 1950er bis 1980er Jahren, sagte Raue. Erste Missbrauchsfälle waren am Berliner Canisius-Kolleg Ende Jänner öffentlich geworden. Raue hält die Entscheidung der deutschen Bischofskonferenz, den Trierer Bischof Stephan Ackermann mit der Aufklärung zu beauftragen, für unzureichend. Sie forderte dafür externe Mitarbeiter.

 

 

Link:

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