News 08. 03. 2010

Salzburger Erzabt tritt wegen Missbrauch zurück

Ein 53-Jähriger gebürtiger Salzburger beschuldigt zwei ehemalige Benediktiner und den amtierenden Erzabt des Salzburger Benediktinerstiftes St. Peter, Bruno Becker, ihn in seiner Jugend sexuell missbraucht zu haben. Erzabt Becker trat am Montagnachmittag zurück.

Im Gespräch mit Ö1 berichtete der heute 53-jährige Salzburger, der anonym bleiben möchte, von mehrfachen schweren Missbrauchshandlungen durch zwei Benedektiner und einem einmaligen Missbrauch durch Bruno Becker vor rund vierzig Jahren.

"Das war eine Todesangst"

Ein ehemaliger Mönch habe ihn damals wegen der Aussicht auf den Kirchturm gelockt. Dort sei es dann erstmals zum Missbrauch gekommen, sagte der damals Elfjährige: "Das war eine Todesangst, ich saß droben, konnte mich nicht rühren, ich konnte mich nur festhalten, und er stand vor mir, er hatte mir in die Hose gegriffen, und dabei hat er sich selbst auch befriedigt." Sechs Jahre lang sei es immer wieder zu Missbräuchen durch diesen und einen anderen Pater gekommen, auch in deren Zellen.

Erzabt bot dem Opfer 5.000 Euro an

Der Übergriff durch den heutigen Erzabt, der damals Priesteramtsanwärter war, erfolgte bei einem Radausflug in einer Höhle am Untersberg bei der Quelle der Salzburger Wasserleitung. "In einer Grotte musste ich mich dann auf seinen Schoß setzen. Er drückte mich an sich, und ich war im Grunde genommen schon von vornherein einmal wehrlos", so der heute 53-Jährige. Als der Erzabt im November des Vorjahres von dem Salzburger mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, soll dieser den Missbrauch eingestanden haben, einen Rücktritt habe er aber abgelehnt. Stattdessen habe er dem Opfer in einem Brief, der dem ORF vorliegt, 5.000 Euro angeboten und das Opfer ersucht, keine weiteren Schritte mehr zu veranlassen

mehr dazu: oe1.ORF.at: Nun auch ein Fall in Salzburger Kloster

Erzabt bestätigt Missbrauch und tritt zurück

In einer Montagnachmittag von der Erzabtei verbreiteten Stellungnahme bestätigte Becker, dass es durch ihn vor mehr als 40 Jahren zu einer einmaligen sexuellen Handlung an einem damals Minderjährigen gekommen sei, und bot seinen Rücktritt als Erzabt an. Zum Zeitpunkt der Tat sei er 24 Jahre alt und noch nicht Priester gewesen. "Unmittelbar nach der Tat hatte sich Bruno Becker bei dem Betroffenen aufrichtig entschuldigt. Er bedauert auch heute noch diesen Vorfall aufs Tiefste und bittet um Verzeihung", so die Mitteilung des Stiftes. Seit diesem "bedauerlichen Ereignis" und "in seiner ganzen seelsorgerischen Tätigkeit" habe es von Seiten Beckers "keinen einzigen Vorfall dieser Art weder an dem Betroffenen, noch an anderen Personen gegeben". Bis vor kurzem habe es in all den Jahrzehnten habe auch keinen Kontakt zwischen dem Betroffenen und Becker gegeben.

Prior von St. Peter: "Null Toleranz" bei sexuellem Missbrauch

Die Amtsgeschäfte des Erzabtes hat in St. Peter zunächst Prior Korbinian Birnbacher übernommen. Birnbacher betonte am Dienstag bei einer Pressekonferenz, in Fragen sexuellen Missbrauchs gebe es in der Kirche "null Toleranz - auch nicht gegenüber einem Erzabt".

"Tiefstes Bedauern"

"Es ist ein dunkler und bitterer Tag für die Kirche und für unser Kloster", so der Prior, an dem man nur "tiefstes Bedauern" äußern und "um Verzeihung bitten" könne. Die Abtei wolle sich den Vorwürfen mit aller Konsequenz stellen und "ehrlich mit der Problematik umgehen, denn nicht Täter sollen geschützt werden, sondern Opfer". Zugleich ermunterte der Prior laut "Kathpress" dazu, dass sich auch weitere Opfer von etwaigen, bislang unbekannten Missbrauchsfällen möglichst rasch bei der zuständigen Ombudsstelle der Erzdiözese Salzburg oder bei ihm persönlich melden mögen, "nur so können wir uns der vollen Wahrheit stellen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen".

Becker soll nur noch ordensintern als Priester tätig sein

Zur weiteren Vorgehensweise erläuterte Prior Birnbacher, dass Becker von allen Ämtern abgezogen worden sei und auch in der Seelsorge nicht mehr tätig sein werde. Einzig ordensintern werde er weiterhin als Priester tätig sein. Der Orden werde nun mit einem Team aus Fachleuten - Juristen und Psychologen - den Fall ordensintern aufarbeiten und im Anschluss den Fall an die Glaubenskongregation melden. Der ehemalige Erzabt befinde sich laut Birnbacher derzeit in "psychologischer und geistlicher Begleitung" - es gehe ihm "den Umständen entsprechend schlecht" und er werde sich in den kommenden Wochen "zurückziehen, um wieder zur Ruhe zu kommen", teilte der Prior mit.

Prior bestätigt Missbrauchsvorwürfe

Weiters bestätigte der Prior die Vorwürfe gegen zwei weitere ehemalige Mönche von St. Peter, sich ebenfalls in den Jahren nach dem einmaligen Missbrauch durch Erzabt Bruno an dem Opfer vergangen zu haben. Beide seien bis 1974 bzw. 1975 Mitglieder des Konvents gewesen, seien dann jedoch ausgetreten. Nur einer der beiden sei Priester gewesen, der schließlich noch als Seelsorger in der Diözese Passau tätig gewesen sei. Am 5. Februar sei er verstorben. Erzabt Bruno habe laut Birnbacher von den Vorfällen um den Missbrauch durch die beiden ehemaligen Mönche erst bei dem Gespräch am 22. November in Wien mit dem Opfer und dem Leiter der Wiener Ombudsstelle erfahren, als er selbst das Opfer für das vor über 40 Jahren Geschehene um Verzeihung gebeten habe.

Prior: Es war kein Schweigegeld

Zum Vorwurf, der bisherige Erzabt habe dem Opfer 5.000 Euro "Schweigegeld" gezahlt, erklärte Prior Birnbacher, dass es sich nicht um Schweigegeld gehandelt habe, sondern um den Versuch einer persönlichen Wiedergutmachung durch Becker, verbunden mit der Bitte um Vergebung. Auf Nachfrage eines Journalisten räumte Prior Birnbacher ein, dass der selbe Betrag auch bei einem weiteren Missbrauchsvorwurf gegen einen Geistlichen einer Pfarre der Abtei St. Peter im Jahr 2004 an das damalige Opfer gezahlt worden sei. Es gebe jedoch keinerlei Zusammenhänge zum aktuellen Fall, die Übereinstimmung der gezahlten Summe sei Zufall.

Kothgasser erfuhr Ende Jänner von den Vorwürfen

Der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser hat laut eigenen Angaben Ende Jänner von den Vorwürfen gegen Erzabt Becker erfahren. Dass er Becker erst jetzt - nach dem Beginn von Ö1-Recherchen - zum Rücktritt geraten hat, begründete Kothgasser gegenüber Ö1 mit internen Beratungen des Klosters, und damit, dass er eine Antwort des Betroffenen abgewartet habe. Die angebotene Zahlung von 5.000 Euro sei nicht als Schweige- sondern als Schmerzensgeld gedacht gewesen, so Kothgasser.

mehr dazu: oe1.ORF.at: Kothgasser: Schmerzensgeld, nicht Schweigegeld

Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen ein

Der Fall des Kindesmissbrauchs durch  Erzabt Becker war auch der Salzburger Justiz bekannt. Am 14. September 2009 habe ein Mann aus Wien, der mit dem Opfer offenbar in Kontakt stand, Anzeige beim Landeskriminalamt Niederösterreich erstattet. Der Fall sei dann der Staatsanwaltschaft Salzburg übermittelt worden, die das Verfahren am 18. Jänner 2010 einstellte, "da das Opfer nicht aussagen wollte", wie Mediensprecherin Barbara Feichtinger am Dienstag der APA mitteilte. Nach Vorliegen der Anzeige wegen schweren, sexuellen Kindesmissbrauchs "wurde der Geschädigte auch ausgeforscht", sagte die Staatsanwältin. Das mittlerweile 53-jährige Opfer, das laut Erzabt Bruno Becker vor 40 Jahren von ihm einmal missbraucht worden sei, "war aber nicht bereit zu einer Aussage", so die Staatsanwältin. Der Grund sei nicht erfragt worden, man könne ja niemanden zu einer Aussage zwingen. Da sich daher aber auch keine Tatzeiten ermitteln ließen, wurde das Verfahren eingestellt. "Denn nur durch genaue Befragungen hätten man allenfalls die Tatzeitpunkte ausfindig gemacht."

Ehemaliger Pater wegen Kindesmissbrauch in Marokko verurteilt

Die Staatsanwältin bestätigte zudem, dass ein weiterer ehemaliger Pater wegen sexuellen Kindesmissbrauchs an Marokkanern am Landesgericht Salzburg im Dezember 2008 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Er soll einheimische Buben in den Jahren 2004 und 2005 mehrfach missbraucht haben. Das Verfahren gegen einen zweiten Pater, der ebenfalls "als Sextourist" in Marokko tätig gewesen sein soll, hat die Staatsanwaltschaft Salzburg mit folgender Begründung eingestellt: Der Mann sei ins Ausland gezogen und "hatte keinen Wohnsitz mehr in Österreich". Diese beiden Männer sollen auch den mittlerweile 53-Jährigen über Jahre missbraucht haben, wie das Opfer angab.

 

 

Hintergrund:

- Missbrauch in der Kirche - 2010 bisher fünf Fälle bekannt

 

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