News 26. 04. 2010

Opferschutzanwältin Klasnic präsentierte Experten-Team

Die von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic hat am Montag in Wien die Mitglieder ihrer Opferschutzkommission präsentiert, die nun die Arbeit aufnehmen wird.

Acht Persönlichkeiten gehören der Kommission an. Darunter sind die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Brigitte Bierlein, der Präsident der Opferhilfsorganisation "Weißer Ring", Udo Jesionek, die Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen, Ulla Konrad, der Psychiater und Neurologe Reinhard Haller sowie der langjährige frühere Präsident des Wiener Stadtschulrates und Restitutionsbeauftragte der Stadt Wien, Kurt Scholz. Auch der Leiter der Abteilung für Jugendpsychiatrie der Landesnervenklinik in Linz, Werner Leixnering, die Richterin am Oberlandesgericht Graz und Mitbegründerin des "Forums gegen Sexuellen Missbrauch", Caroline List, sowie der Publizist und frühere Vorsitzende der Plattform "Wir sind Kirche", Hubert Feichtlbauer, sind Kommissionsmitglieder. Klasnic selbst ist in der Kommission Vorsitzende ohne Stimmrecht, die Mitglieder würden lediglich die Spesen vergütet bekommen, wurde bei der Pressekonferenz am Montag erläutert. Von Kardinal Schönborn sei die notwendige Unterstützung zugesichert, wie hoch diese sei, könne man noch nicht sagen.

Klasnic betont Unabhängigkeit

Die Opferschutzanwaltschaft agiere frei und autonom und stehe allen Opfern von Missbrauch und Gewalt in Kirche und Gesellschaft in Österreich zur Verfügung, unterstrich Klasnic laut "Kathpress". Sie betonte einmal mehr, dass ihr von Seiten von Kardinal Christoph Schönborn einerseits die absolute Unabhängigkeit der Opferanwaltschaft und andererseits die volle Kooperation aller Stellen der katholischen Kirche in Österreich zugesichert worden sei, "insbesondere was notwendige Informationen und die Umsetzung der Empfehlungen betrifft". Ziel ihrer Arbeit sei, so Klasnic "eine ehrliche, sensible und gründliche Aufarbeitung" und eine "präventive Wirkung". Es gehe "insbesondere um die Menschenwürde, um Offenheit und Wahrhaftigkeit."

Bisher haben sich rund 100 Opfer gemeldet

Klasnic versicherte bei der Pressekonferenz mehrmals, dass sie die fixe Zusage von Seiten der Kirche habe, dass für die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen wie Therapien oder materielle Hilfe die finanziellen Mittel im erforderlichen Ausmaß vorhanden seien. Noch könne man aber nicht sagen, in welcher Höhe sich diese Mittel bewegen würden, da man noch keine seriösen Überblick über Anzahl und Schwere der Fälle habe. Von den 500 bisherigen Kontaktaufnahmen mit der Opferschutzanwaltschaft hätten sich knapp 100 als solche von Opfern erwiesen. Sie werde mit den Opfern, "wo es gewünscht ist, in direkten Kontakt treten", versicherte Klasnic. Zusätzlich dabei sein würden ein Psychologe sowie ein Anwalt. Aber auch die Betroffenen seien berechtigt, eine Begleitperson mitzunehmen, erläuterte die ehemalige steirische Landeshauptfrau die angedachte Vorgehensweise.

Bierlein: "Es wird nichts unter den Tisch gekehrt"

VfGH-Vizepräsidentin Bierlein betonte bei der Pressekonferenz, dass sie in ihrer Arbeit "auf niemanden und nichts Rücksicht nehmen" werde. Es gehe ihr um "schonungslose Aufklärung, Hilfeleistung und möglichste Hintanhaltung derartiger Fälle in der Zukunft", so Bierlein: "Nichts wird unter den Teppich gekehrt." Dem Publizisten Hubert Feichtlbauer geht es bei der Arbeit in der Kommission vor allem darum, "Strukturen ins Blickfeld zu rücken, die diese Entwicklung gefördert haben".  An "monokausale Erklärungen" glaubt der "bekennende katholische Christ" mit "kritischer Loyalität" allerdings nicht.

Jesionek: "Als Feuerwehr dort agieren"

"Sammeln und als Feuerwehr dort agieren, wo es wichtig ist" erwartet Udo Jesionek, Präsident der Opferhilfsorganisation "Weißer Ring" und von der Opferanwaltschaft, der auch er angehört. Als ehemaliger Präsident des Jugendgerichtshof habe auch er sich mit dem Thema sexueller Missbrauch befasst. "Rasch und unbürokratisch helfen" will auch Caroline List, Richterin am Oberlandesgericht Graz und Mitbegründerin des Forums gegen Sexuellen Missbrauch. Ulla Konrad, Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen, sieht durch die Kommission "Expertenbehandlung gewährleistet".

Scholz hätte sich eine staatliche Kommission gewünscht

Eine staatliche Kommission hätte der langjährige Präsident des Wiener Stadtschulrates und Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien, Kurt Scholz, gerne gesehen. Von politischer Seite scheine dieser Wunsch allerdings "durchaus enden wollend" weswegen er sich der Klasnic-Kommission angeschlossen habe. Scholz erwartet sich "klare, individuelle Entschuldigungen" anstelle von "allgemeinen Mitleidsbekundungen" sowie Entschädigungen. Aus religiösem Engagement ist Scholz übrigens nicht in der Kommission: "Dieser Chip zur Fernsteuerung fehlt mir."

Jesionek: Sammelklage gegen die Kirche ist eine "kühne Konstruktion"

Sehr skeptisch bewerteten am Rande der Pressekonferenz Juristen die Ankündigung der Rechtsanwälte Georg Zanger und Werner Schostal, sich zivilrechtlich als Kuratoren für Missbrauchsopfer der Kirche bestellen zu lassen. In diesem Sinn äußerten sich gegenüber "Kathpress" sowohl Udo Jesionek, als auch Brigitte Bierlein und Caroline List, die der Unabhängigen Opferschutzkommission angehören. Alle drei betonten, dass es für Missbrauchsopfer wichtig sei, dass sie rasch Beratung und Hilfe erhalten können, was der Hauptzweck der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft sei. Die von Zanger und Schostal angedachte Initiative bezeichnete Jesionek wörtlich als eine "kühne Konstruktion". Aus seiner Erfahrung sei ein Gerichtsverfahren für Missbrauchsopfer immer eine große Belastung. Darüber hinaus müssten die Opfer wie bei jedem Prozess auch das Risiko der Verfahrenskosten tragen. Dies könne vermieden werden, wenn sich die Opfer direkt an die Opferschutzanwaltschaft wenden, betonte Jesionek.

Opfer-Plattform: Klasnic ist nicht unabhängig

Kritisch steht der von Waltraud Klasnic geleiteten Kommission weiterhin die "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" gegenüber: "Wer immer in dieser Kommission sitzen mag, sie ist und bleibt eine von der Kirche und damit von den Tätervertretern eingesetzte, bezahlte und gesteuerte Gruppe", meinte Klaus Fluch von der Plattform am Montag in einer Aussendung. Die Plattform fordert eine unabhängige staatliche Untersuchungskommission. Die Kirche  ziehe "alle PR-Register, um eine offensichtlich gefürchtete staatliche Untersuchungskommission durch eine eigene, vorgetäuschte 'unabhängige' Kommission zu verhindern", heißt es laut APA in der Aussendung der Plattform. Klasnic sei nicht unabhängig, denn ihr sei beispielsweise 2003 der päpstliche "Gregorius-Orden für den Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion" verliehen worden, so die Plattform. Wegen der "hohen Zahl" der bisher eingegangenen Anrufe von Opfern sei von einer "extrem hohen Dunkelziffer" von Betroffenen kirchlicher Gewalt auszugehen. Angesichts dieser Dimension und "derart zahlreichen Mitwissern" sei "längst jenes Maß erreicht", wo der Staat der Kirche nicht länger die Aufklärung überlassen dürfe.

 

 

Links:

- Unabhängige Opferschutzanwaltschaft

- Diözesane Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der röm.-kath. Kirche

 

ORF TVthek:

- Missbrauchsfälle - Täglich neue Enthüllungen

 

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