News 14. 05. 2010

Kardinal Schönborn ruft Kirche zu Neuaufbruch ohne Resignation auf

Mit einem Appell zu einem kirchlichen Neuaufbruch ohne Resignation hat der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, am Donnerstag den Kongress der österreichischen Pfarrgemeinderäte in Mariazell eröffnet. Er sei trotz aller Anfechtungen und aktuellen Krisen zuversichtlich, dass der Kirche eine positive Zukunft beschieden sei - "keine einfache, keine irdisch gesehen glorreiche, aber eine lebendige", so Kardinal Schönborn laut "Kathpress".

"Nicht Macht" habe Christus seiner Kirche verheißen, "sondern Kraft".

Gemeinsam mit der gesamten Gesellschaft stehe die Kirche vor gewaltigen Herausforderungen, die weit über die eigenen Probleme hinausweisen: "Wir leben in einer Zeit, in der das Überleben der Menschheit bedroht ist", zitierte Kardinal Schönborn in diesem Kontext aus einem "Aufruf für eine prophetische Kirche" von Katholiken, Laien, Bischöfen und Ordensleuten in Deutschland. Der Klimawandel drohe die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen zu zerstören, Wasser- und Energieknappheit drohen, zugleich sei die Gesellschaft durch die Finanzkrise "in Geiselhaft" genommen worden. "Eine Wirtschaftsweise, die Geld zu einem Götzen macht, zerstört langsam wie ein Krebsgeschwür die Würde und die Rechte der Person, den Sinn für Solidarität in der Gesellschaft und schließlich die spirituelle Offenheit für alles Göttliche", so Kardinal Schönborn in Anlehnung an den "Aufruf für eine prophetische Kirche". Diesen Herausforderungen dürfe man nicht mit Resignation begegnen, sondern "in der Kraft des Heiligen Geistes" mutig entgegengehen.

Wie sieht die Kirche im Jahr 2062 aus?

Besonders bewege ihn die Frage, wie die heutige Jugend einmal die Kirche weitertragen werde. "Wie wird sie aussehen? Die Kirche Österreichs im Jahr 2062?", fragte Kardinal Schönborn. In diesem Jahr wird einst der 100. Jahrestag der Eröffnung des von vielen als "neues Pfingsten" erlebten Zweiten Vatikanischen Konzils begangen. Was wird bleiben von diesem Aufbruch - und konkreter: "Wird es morgen noch Menschen geben, die den Gottesdienst mitfeiern?" Eine "Teilantwort" bieten hier etwa die anderssprachigen Gemeinden, die "schon heute ein echter Teil der Kirche Österreichs" seien. Denn die Kirche in Östereich sei keine Kirche der nur Einheimischen mehr, sondern eine "Kirche der Immigranten", betonte der Kardinal.

Hoffen auf den Heiligen Geist

Auch wenn die Versammlung der rund 500 Delegierten mit den österreichischen Bischöfen auf diese komplexe Fragen keine vollständigen Antworten finden werde, so gelte es doch, diesen Anliegen und Sorgen, wie sie auch in der Pfarrgemeinderäte-Studie formuliert wurden, in der Hoffnung auf den Beistand des Heiligen Geistes offen zu begegnen, so Kardinal Schönborn. "Der Heilige Geist hat noch in jeder Zeit der Kirche Menschen erweckt, die durch sein Wirken das Antlitz der Erde 'neu gemacht' haben. Auf diese Überraschungen dürfen wir hoffen, sie dürfen wir erbitten."

Eröffnet wurde der Kongress in Mariazell von Alois Schwarz, Bischof von Gurk-Klagenfurt und in der Bischofskonferenz für die Pfarrgemeinderäte zuständig. Er sieht in der Veranstaltung "etwas ganz Bedeutsames, was die Kirche in Österreich so noch nie erlebt hat". Nach Schönborns Rede wurden die Vertreter der anwesenden Diözesen vorgestellt, ebenso wie jugendliche Pfarrgemeinderäte. Einer der jungen Teilnehmer wünschte sich "mehr Platz für kritische Menschen und nicht nur Ja-Sager" in der Kirche.

Kapellari: Die Kirchenkrise berührt die Substanz des Glaubens

Im Anschluss an die Eröffnungsfeier im "Europeum" fand der Wallfahrtseinzug in die Basilika und eine anschließende vom Kardinal geleitete Festmesse statt. Die Predigt hielt der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari. Kapellari betonte, die gegenwärtige Krise, in der sich die Kirche in den deutschsprachigen Ländern befinde, erschöpfe sich nicht allein in den erschütternden Missbrauchsfällen oder in den bekannten "heiße-Eisen-Themen" - sie rühre vielmehr tiefer und an die eigentliche "Substanz und Strahlkraft des christlichen Glaubens inmitten einer säkularen Gesellschaft" überhaupt. "Bloß pragmatische Maßnahmen" würden laut Kapellari den Ernst der Krise "verkennen und verfehlen".

"Was können, was müssen wir loslassen?"

Die Krise in der Kirche habe vielerorts zu Enttäuschungen, Mutlosigkeit oder auch Aggression geführt und das Ansehen der Kirche stark gemindert. "Eine Serie seelischer und körperlicher Verletzungen von Kindern und Jugendlichen durch Priester und andere Träger kirchlicher Verantwortung ist offenbar geworden wie Eiterherde, die plötzlich aufbrechen", so der Stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz. Es dürfe überhaupt nichts kleingeredet werden, auch wenn es in der Folge ungerechte Verallgemeinerungen zu Lasten vor allem der Priester gegeben habe und wenn ähnliche Verfehlungen in der ganzen Zivilgesellschaft nun ebenfalls ins allgemeine Bewusstsein dringen. Gleichzeitig würden hinter dem Missbrauchsthema nun ältere Problemlinien betreffend einige Fragen der Kirchenverfassung mit neuer Intensität zutage treten. "Die Spannung zwischen kirchlicher Breite, um die wir uns trotz unabwendbarer Schrumpfungen bemühen müssen, und der Dimension Tiefe reicht in alle Diözesen auch weit in unsere Pfarren hinein", hielt Kapellari fest. Sie könne zur Zerreißprobe führen oder - wie jede Krise - auf Umwegen auch fruchtbar werden. Auch sei die Sozialgestalt der Kirche heute inmitten einer sehr mobilen Gesellschaft einem Druck zum Wandel ausgesetzt, der bald auch die Pfarren noch stärker als bisher erfassen werde, prognostizierte Kapellari. "Was können, was müssen wir loslassen, was unbedingt behalten? Auf diese lapidare Frage gibt es keine einfache und übereinstimmende Antwort", hielt Bischof Kapellari fest, der allen dafür dankte, die sich für die Lösung dieser Frage einsetzen.

Die Kirche erneuern

Papst Benedikt XVI. habe bei seinem Besuch in Mariazell die versammelten Christen ermuntert, die "Apostelgeschichte weiter zu schreiben". Dieser Impuls sei in vielen Pfarren angenommen worden und habe "Kräfte zur Erneuerung wachgerufen", so Kapellari in der Predigt. Eine Erneuerung der Kirche und die Bewahrung und Vertiefung der Einheit sei möglich, "wenn wir in all den Spannungen der Gegenwart den Blick auf Christus nicht verlieren", rät Kapellari und erinnerte an ein altes Gebet: "Jesus, erneuere deine Kirche, und fang bei mir an."

Beratungen über Pfarrgemeinderäte-Studie

Nach der Morgenmesse in der Basilika wird am Freitag eine intensive Auseinandersetzung mit der Situation der Pfarrgemeinderäte erfolgen. Grundlage dafür wird die von der Bischofskonferenz beauftragte und vom Theologen Paul Zulehner wissenschaftlich begleitete Studie unter den österreichischen Pfarrgemeinderäten sein, Schönborn wird auf deren Ergebnisse eingehen. Der Tag endet mit einem "Lichtergang". Den Abschluss der Wallfahrt bildet ein Gottesdienst mit dem Apostolischen Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen.

Kein Kommentar zu Iby-Vorstoß

Zum Vorstoß des kurz vor der Pension stehenden Eisenstädter Bischofs Paul Iby, den Zölibat zu überdenken und auch Frauen zur Priesterweihe zuzulassen, herrschte unter den geschlossen in Mariazell anwesenden Bischöfen weiter Schweigen. Auch Iby selbst wollte keinen Kommentar abgeben, es sei bereits alles gesagt. Bischof Alois Schwarz kündigte an, die Sorgen der Pfarrgemeinderäte ernst zu nehmen: "Wir werden zuhören."

 

 

TV-Hinweis:

- 16.05.2010: Orientierung: Reformwille? – Pfarrgemeinderäte und Bischöfe über "Zukunftsstrategien"

 

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- 14. 05. 2010: Scheuer: Gegenwärtige Krise ist ein "Lernort zur Neuorientierung"

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