News 31. 01. 2012

Scharfe Kritik an Straches „Juden-Vergleich“

Der „Juden-Vergleich“ von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache beim WKR-Ball hat scharfe Kritik ausgelöst. Während die Israelitische Kultusgemeinde eine Anzeige angekündigt hat, weisen auch Vertreter der römisch-katholischen Kirche die Aussagen scharf zurück.

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) sieht im Vergleich von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache „von Besuchern des WKR-Balles mit der Judenverfolgung“ eine „ungeheuerliche Provokation“ und kündigte am Montag eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft an. Die IKG sprach in einer Aussendung von „Holocaustrelativierung unter dem Deckmantel der Immunität“. Bei nicht durch parlamentarische Immunität Privilegierten könnten solche Äußerungen strafrechtliche Folgen nach sich ziehen, so die IKG. Strache solle den Nationalrat ersuchen, seine Immunität aufzuheben.

Vilimsky: „Stasi-Spitzel-Manier“

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky wies die seiner Meinung nach „künstliche und lächerliche Empörung“ zurück und beklagte, dass ein Journalist „dieses Privatgespräch in Stasi-Spitzel-Manier belauscht und in seinem Bericht maßlos übertrieben und die Aussage völlig verzerrt dargestellt“ habe. Strache habe lediglich gemeint, dass es „methodisch an die grausamen Berichte über die unselige NS-Zeit“ erinnere, „wenn Studentenhäuser mit Brandsätzen attackiert und Menschen verleumdet, tätlich angegriffen und geradezu gejagt“ würden, wie dies „von Linksextremisten gegenüber den Besuchern des WKR-Balls“ geschehen sei. In keiner seiner Aussagen habe Strache „das Leid, das den Juden angetan wurde, relativieren wollen“. Auch diese Erklärung weist die IKG zurück. „Jeder Vergleich heutiger Vorkommnisse mit den rassistischen Verfolgungen unter dem NS-Regime stellt eine Verharmlosung des Holocaust dar“, so die Aussendung.

„Armutszeichen“ und „Grenzverletzung“

Nachdem der FPÖ-Chef am Montag schon von zahlreichen Politikern aller anderen Parlamentsparteien heftig kritisiert worden war, gab Bundespräsident Heinz Fischer am Dienstag bekannt, dass Strache das eigentlich geplante „Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern“ zumindest vorerst nicht bekommen wird. Da Strache „die Demonstrationen gegen den WKR-Ball – in welchem Zusammenhang auch immer – mit dem verbrecherischen und zahlreiche Todesopfer fordernden Novemberpogrom der Nationalsozialisten in Zusammenhang gebracht hat“, habe er entschieden, die Verleihung des Ehrenzeichens zurückzustellen. Auf Nachfrage der APA wurde in der Präsidentschaftskanzlei erklärt, dass der Bundespräsident Ehrenzeichen immer wieder einmal zurückgestellt habe. Ob es zu einer späteren Verleihung kommen wird, wollte man in der Hofburg nicht einschätzen. 

Kritik von Katholiken

Ebenfalls am Dienstag reihten sich auch Vertreter der römisch-katholischen Kirche in den Chor der kritischen Stimmen ein. Der Dekan der Wiener katholisch-theologischen Fakultät, Martin Jäggle, bezeichnete die Aussagen Straches als „Armutszeichen für politische Kultur in Österreich“, Jugendseelsorger Gregor Jansen nannte den Umstand, dass sie am Holocaust-Gedenktag geäußert wurden, eine „Unglaublichkeit“.

„Nur in Österreich denkbar“

Für Jäggle, der auch Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit ist, sind diese Aussagen in zweifacher Hinsicht erschreckend, wie er am Dienstag gegenüber „Kathpress“ sagte: Die kulturell-politischen Standards seien in Österreich offenbar derart niedrig, dass derlei Vergleiche fallen, ohne dass Konsequenzen gezogen werden müssen. Dass sich ein Spitzenpolitiker öffentlich derart „schamlos“ äußere, sei „nur in Österreich denkbar“. Für Jäggle reicht es aber nicht, den Juden-Vergleich zu kritisieren. Es gehe vielmehr um die Frage, „was wir tun können, um den Standard zu heben und den schlampigen Umgang mit Geschichte in Österreich zu ändern“. Dringend notwendig seien demnach politische Bildung, Geschichtsbildung, Erinnerungslernen und Mitleidensfähigkeit mit den tatsächlichen Opfern. Gelinge dies nicht, würde sich in Österreich eine Politik etablieren, die mit Exklusion operiert, und ein „Klima, das gegen Menschen gerichtet ist“.

„Stilisierung als verfolgte Minderheit“

Gregor Jansen, für die Jugendkirche Wien zuständiger Seelsorger, kritisierte indes „die Stilisierung der vereinten Rechten als verfolgte Minderheit“ und die „Unglaublichkeit, am Holocaust-Gedenktag zu behaupten, die 'neuen Juden' zu sein“. Dass Strache dies offenbar abseits medialer Öffentlichkeit zu sagen meinte, mache die Sache nicht besser, so Jansen. Jedenfalls habe der FPÖ-Politiker mit Sicherheit gewusst, dass er seine Vergleiche am Gedenktag des millionenfachen Mordes an Juden zog, so der Priester gegenüber „Kathpress“.

 (KAP)

 

 

 

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