News 02. 07. 2012

Wachsende Sorge um Religionsfreiheit nach Kölner Beschneidungsurteil

Nach dem Kölner Urteil zur Strafbarkeit von Beschneidungen wächst die Sorge um die Ausübung der Religionsfreiheit in Deutschland. „In Deutschland ist die freie Religionsausübung geschützt. Dazu zählen auch die religiösen Traditionen“, erklärte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag in Berlin. Der Grünen-Politiker Volker Beck warnte davor, die Beschneidung von Juden in Deutschland zu kriminalisieren.

Westerwelle äußerte sich besorgt über mögliche Außenwirkungen der Debatte zu dem Kölner Urteil, das in der rituellen Beschneidung von Buben eine Körperverletzung sieht. „Eine juristische Debatte darf nicht dazu führen, dass an der religiösen Toleranz in Deutschland international Zweifel entstehen“,  erklärte er.

Rechte abwägen

Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Beck forderte eine „vernünftige Abwägung der Grundrechtsposition“ zwischen Religionsfreiheit, Erziehungsrecht der Eltern und dem Schutz körperlicher Unversehrtheit. Es sei offen, ob eine Korrektur des Kölner Urteils auf dem Wege der Rechtsprechung oder durch Gesetz anzustreben sei. „Das Ergebnis sollte aber sein, dass wenn hygienische und medizinisch-fachliche Standards eingehalten werden, der körperliche Eingriff bei einer religiösen Beschneidung von Jungen als gerechtfertigt angesehen wird und deshalb nicht strafbar ist“, erklärte er.

Empörte Religionsvertreter

Der SPD-Politiker Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, bekräftigte seine Kritik an der Gerichtsentscheidung. „Dies würde einen massiven Eingriff in die Religionsfreiheit bedeuten“, sagte er dem „Focus“. Vertreter von Juden und Muslimen drängen indes weiter auf eine Korrektur der Gerichtsentscheidung.

Beschneidung für Juden „nicht verhandelbar“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, bekräftigte im „Focus“, die Beschneidung sei „für den jüdischen Glauben absolut elementar und nicht verhandelbar“. Eine spätere Beschneidung von jüdischen Buben schloss er aus. „Da gibt es für uns absolut keinen Verhandlungsspielraum“, sagte Graumann der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Die jüdische Religion sieht vor, dass Buben acht Tage nach der Geburt beschnitten werden.

Gericht: Beschneidung ist Körperverletzung

Das Kölner Landgericht hatte in seiner am Dienstag veröffentlichten Entscheidung die Auffassung vertreten, eine Beschneidung aus religiösen Gründen erfülle den Tatbestand der Körperverletzung. Sie sei auch nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, da sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche.

Ärzteverbände warnen Ärzte

Ärzteverbände dringen unterdessen darauf, in Deutschland vorerst keine rituellen Beschneidungen mehr vorzunehmen oder diese Eingriffe deutlich einzuschränken. Der Bundesverband der niedergelassenen Kinderchirurgen Deutschlands empfahl laut „FAS“ seinen Mitgliedern in einem Schreiben, von rituellen Beschneidungen abzusehen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte der Zeitung, man werde die „Mitglieder nun darauf hinweisen müssen, welches Risiko sie eingehen“.

 

(APA/AFP)

 

 

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