News 25. 07. 2012

„Vorläufiger“ Beschneidungs-Stopp in Vorarlberg

Am Dienstag hat Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) den Ärzten in seinem Bundesland empfohlen, vorerst keine Beschneidungen an Buben aus religiösen Gründen mehr durchzuführen. Kritik daran kommt von Religionsgemeinschaften und der Opposition.

Die Debatte um die religiöse Beschneidung von minderjährigen Buben hat die österreichische Innenpolitik erreicht. Am Dienstag riet Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) den Vorarlberger Ärzten, „vorläufig“ keine weiteren Beschneidungen ohne medizinische Indikation durchzuführen. Zwar betonte Wallner gegenüber dem „Standard“ (Mittwochausgabe), dass es sich dabei nicht um eine Weisung handle, doch „die Ärzte hier im Land sind stark verunsichert“.

 

Zu einer solchen Verunsicherung mögen auch die Wortmeldungen des  Obmanns der Vorarlberger FPÖ, Dietmar Egger, beigetragen haben. Dieser hatte ebenfalls am Dienstag gefordert, an den Vorarlberger Landesspitälern religiöse Beschneidungen an Kindern zu verbieten, da es sich um einen „massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“ und einen unnötigen medizinischen Eingriff handle.

Landeshauptmann unter Kritik

Heftige Kritik an Wallner übte der  Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac. „Solche Entscheidungen sind Österreichs nicht würdig. Es ist eine klare Ausgrenzung, eine politische Unruhestiftung“, so Sanac zum „Standard“. Er sieht in Wallners Vorstoß einen „Schlag gegen die Religionsfreiheit“.

 

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, weist darauf hin, dass Wallner „ohne Not“ handelt. Die Beschneidung sei in Österreich durch die Verfassung  geschützt, die rechtliche Situation klar.

 

Die Rechtslage in Österreich legt auch für Vorarlberger SPÖ-Gesundheitssprecherin Gabriele Sprickler-Falschlunger keinen Handlungsbedarf nahe. Wallner solle deshalb seine Aktion, die Sprickler-Falschlunger als „puren Populismus“ bezeichnet,  rückgängig machen.

Gesundheitsminister verweist auf Justiz

Für Sprickler-Falschlungers Parteikollegen, Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), ist die Debatte über religiöse Beschneidungen in Österreich eine „aufgesetzte Diskussion“. Es sei ein Thema aus Deutschland übernommen worden, „das nicht wichtig ist“, sagte Stöger der APA am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz.

 

Grundsätzlich habe jedes Landeskrankenhaus die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob es Beschneidungen durchführt oder nicht, stellte der Gesundheitsminister fest. „Das ist keine Pflichtleistung. Es muss auch nicht jeder Schönheitsoperationen anbieten.“ Stöger verweist in der Causa auf die Kompetenzen des Justizministeriums.

Eigene Rechtslage in Österreich

Im Gegensatz zu Deutschland, wo sowohl die Religionsfreiheit als auch das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ im Grundgesetz verankert sind, ist in der österreichischen Verfassung nur die Religionsfreiheit dezidiert festgeschrieben. Ein Urteil wie das in Köln scheint damit in Österreich nicht möglich. Im für Religionsfragen zuständigen Kultusministerium verweist man  zusätzlich auf das Israelitengesetz, laut dem es erlaubt sei, Kinder „durch alle traditionellen Bräuche zu führen und entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen“.

Grazer Kinderchirurgie setzt Beschneidungen aus

Unsicherheit gegenüber der geltenden Gesetzeslage scheint aber auch in der Grazer Kinderchirurgie zu herrschen. Wie die „Kleine Zeitung“ am Dienstag berichtete wurden Beschneidungen von Buben aus religiösen Gründen bis auf weiteres eingestellt. Bereits fixierte Termine sollen zwar eingehalten, vorerst aber keine neuen Beschneidungen vereinbart werden.

 

„Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie prüft die rechtliche und die ethische Lage und arbeitet an einer Stellungnahme zum Thema“, sagte der Kinderchirurg Amulya Saxena von der Grazer Kinderchirurgie gegenüber der Zeitung. In den kommenden Wochen soll die Entscheidung  für das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit religiösen Beschneidungen fallen.

 

 

(APA/religion.ORF.at)

 

 

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