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20. Aug 99von Marcus Marschalek aktualisiert

Ansprachen während des Papstbesuches in Österreich 1998

Ansprachen Freitag 19. Juni

Flughafen

Festgottesdienst im Salzburger Dom

Begrüßung
Predigt
Grußworte an die ökumenischen Vertreter

Ansprachen Samstag 20. Juni

Europarede des Papstes in der Hofburg in Wien

Festgottesdienst im Landhauspark St. Pölten

Begrüßung des Papstes durch Bischof Krenn
Predigt

Ansprachen Sonntag 21. Juni

Festgottesdienst Heldenplatz in Wien

Begrüßung durch Kardinal Schönborn
Predigt bei Festgottesdienst am Heldenplatz in Wien
Schlußworte beim Festgottesdienst
Dnakesworte der Jugendlichen an den Papst

Ansprache von Bischof Weber an den Papst
Botschaft an die österreichischen Bischöfe
Botschaft des Papstes an das CS-Hospiz

 

Festgottesdienst in Salzburg

Begrüßung im Rupertusdom

Vom Rupertusdom aus grüße ich Sie alle, liebe Schwestern und Brüder im Glauben. Ich grüße ganz besonders den Herrn Bundespräsidenten, die geschätzten Mitglieder der Bundesregierung, den Herrn Landeshauptmann von Salzburg sowie den Bürgermeister dieser schönen Stadt. Ich danke den Vertretern der Behörden für die Mitarbeit an der Vorbereitung meines Besuches und den Reportern der Massenmedien, die meine Botschaft transportieren helfen. Mit besonderer Freude heiße ich den Vorstand des Ökumenischen Rates und als persönlichen Gast des katholischen Episkopates den Bischof der Evangelischen Kirche willkommen und bedauere zugleich, daß ein eigenes Treffen zeitlich nicht möglich st. Ich freue mich, mit dieser Teilkirche, die vor kurzem das 1200-Jahr-Jubiläum ihrer Erhebung zum Erzbistum beging, wieder Eucharistie feiern zu können.

 

Predigt beim Festgottesdiesnt im Salzburger Dom

"Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen" (Ps 23, 1)

1. Die Worte, die der Psalmist auf Gott im Alten Bund bezieht, dürfen wir heute an unseren Hirten richten, das menschgewordene Wort Gottes: Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Dankbar schauen wir auf den Glauben, der wie ein starker Baum in dieser Gegend Früchte getragen und Geschichte gemacht hat: "Freue dich, Juvavum, denn am Ufer deiner Wasser hat der Herr Bäume gepflanzt, die niemals aufhören, Früchte zu tragen" (1. Antiphon der Lesehore zum Fest Rupert und Virgil).

Das Licht des Glaubens wurde hier wohl zum ersten Mal von dem berühmten Missionar Severin entzündet. Es war am Ende des fünften Jahrhunderts, in einer Zeit, als die römischen Provinzen dem Untergang geweiht waren. Mehr als zwei Jahrhunderte sollten vergehen, bis aus der Stadt Worms am Rhein wieder ein guter Hirte den Weg zur kleinen, weithin zerstörten Stadt an der Salzach fand: der Wanderbischof Rupertus. Er baute Kirchen und richtete geistliche Stützpunkte ein. Schon das erste Gotteshaus wurde dem heiligen Petrus geweiht.

Im Jahre 739 war es der heilige Bonifatius, der als Legat des Papstes für Germanien vier Diözesen errichtete: Regensburg, Passau, Freising und Salzburg. Heute sind die Oberhirten dieser altehrwürdigen Diözesen unter uns. So grüße ich neben Erzbischof Georg Eder, der heute unser Gastgeber ist, ganz besonders Herrn Kardinal Friedrich Wetter von München und Freising, Herrn Bischof Manfred Müller von Regensburg und Herrn Bischof Franz Xaver Eder von Passau.

Reich an Jahren und Glanz ist die Kirche von Salzburg! Nachdem der heilige Bischof Virgil, der aus Irland kam, den ersten Dom eingeweiht hatte, wurde vor 1200 Jahren durch Papst Leo III. Salzburg zur Metropole erhoben.

Die Glanzpunkte der Vergangenheit lassen uns heute am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu mit Recht das Te Deum auf den Herrn anstimmen, der als Guter Hirte die Kirche von Salzburg durch die Jahrhunderte getragen hat. Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen.

2. Dieser Tag, an dem ich als Nachfolger des heiligen Petrus zum zweiten Mal das "deutsche Rom" besuchen darf, ist aber nicht nur der Erinnerung an eine stolze Geschichte gewidmet. Er soll jeden einzelnen dazu anregen, sich um eine ehrliche Erneuerung im Glauben und um die entschlossene Bündelung der eigenen Kräfte mit denen der anderen Gläubigen zu bemühen, damit es der neuen Evangelisierung dient.

Dabei weitet sich mein Blick über das Gebiet des Salzburger Landes hinaus. Ich grüße den Bundespräsidenten der Republik Österreich, Herrn Thomas Klestil. Ein herzliches Willkommen rufe ich neben den zahlreichen Brüdern im Bischofs- und Priesteramt, die aus Österreich und den Nachbarländern gekommen sind, sowohl dem Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, zu als auch dem Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber von Graz-Seckau.

Im Licht der missionarischen Tätigkeit unserer Vorfahren wird uns eines neu bewußt: Wir dürfen den Glauben nicht einschließen in unsere Gotteshäuser. Wir sollen ihn hinaustragen in unsere kleine und große Welt. Der missionarische Einsatz hat in dieser Bischofsstadt eine lange Tradition. Die Bischöfe von Salzburg sind als gute Hirten weit in den Osten gezogen und haben die Frohe Botschaft nach Böhmen, Mähren und Ungarn gebracht. Sie haben ihre Helfer als Missionare ausgesandt bis nach Maribor an der Drau, nach Brixen, an den Lech und zur Donau.

Heute ist die Mutterdiözese Salzburg geographisch zwar kleiner geworden. Aber in den Steinen dieses ehrwürdigen Domes und der erhabenen Festung hat sich das eingeprägt, was Salzburg in der Geschichte war und in Zukunft sein soll: ein Missionszentrum, das ausstrahlt über die Grenzen der Diözese und des Landes hinaus. Salzburg, du Stadt auf dem Berg gebaut, du trägst in Deinem Namen das Salz: Deine Bewohner mögen auch in Zukunft das Salz des Evangeliums gläubig annehmen und durch ihr Zeugnis bestätigen. Denk an das Erbe, das dir die Vergangenheit vermacht hat: das Salz der Heilsbotschaft in das umliegende Gebiet hinauszutragen.

Du Sitz des Primas Germaniae, die Geschichte hat dir eine Art Vorsitz in der Mission übertragen: Die Christen dieser Erzdiözese mögen sich der Verpflichtung stets bewußt sein, die ein solches Vorrecht mit sich bringt.

Du hast eine Sendung gegenüber den Männern und Frauen, die einen Weg suchen, der sie "zum Ruheplatz am Wasser" führt. Durch das Zeugnis deiner Gläubigen mögen sie Dem begegnen, der sie auf rechten Pfaden führt, bis sie "auf grünen Auen lagern" und sich stärken können. (vgl. Ps 23, 2-3): Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen.

3. "Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil" (Ps 23, 4). Wir wissen um die Gefahren, die sich in steilen Tälern bei Dunkelheit stellen. Das geographische Bild ist ein trefflicher Spiegel der Seele. Auch unser Inneres ist tückischen Abgründen ausgesetzt. Wir kennen die Dunkelheiten von Enttäuschungen, Schicksalsschlägen und Glaubenszweifeln. Die jedoch auf Gott vertrauen, finden Schutz und Sicherheit in der Obhut des Guten Hirten: "Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht" (Ps 23, 4).

Spielen diese Worte aus der Heiligen Schrift nicht auf die Aufgabe des Lehramtes an, das Christus den Hirten der Kirche anvertraut hat? Dieses Amt ist nicht menschliche Erfindung, um in der Seelsorge Herrschaft auszuüben. Christus selbst hat uns zu diesem Dienst bestellt, damit Sein göttliches Wort aus menschlichem Mund weitergetragen werde und den Menschen "Stock und Stab", Halt und Orientierung sei.

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Bewußtsein meiner Sendung, die mit meinem Amt als Nachfolger des heiligen Petrus verbunden ist, bin ich zu Euch nach Österreich gekommen, um Euch ein Wort des Zuspruchs und der Ermutigung zu bringen. Ich danke Euch für Euer Kommen, in dem ich ein Zeugnis dafür sehe, daß Ihr zu Christus gehören wollt. Wie im Evangelium der Hirte das Schaf auf seinen Schultern trägt, so habe ich auch Euch in den vergangenen Monaten in meinem Herzen getragen.

Das Herz des Hirten aus Rom schlägt für Euch alle!

Verlaßt die Herde des Guten Hirten nicht!

Tretet nicht aus, sondern tretet auf - für die Frohe Botschaft, die auch die Dunkelheiten unseres Lebens erleuchten kann: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen.

4. Es ist mir ein großes Anliegen, meine Wertschätzung allen gegenüber auszudrücken, die sich unermüdlich dafür einsetzen, daß die Pfarrgemeinden lebendig sind. Die Pfarren sind ja "die Kirche, die inmitten der Häuser ihrer Söhne und Töchter lebt" (Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 26). Es ist erfreulich, daß sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Vielzahl von Diensten entwickelt hat, denen sich unzählige Laien in hochherziger Weise widmen. Mit hohem Einsatz an Zeit nehmen sie die Mitverantwortung wahr, die ihnen aufgrund der durch Taufe und Firmung übertragenen Würde zukommt.

In der Verschiedenheit der Aufgaben das rechte Mit- und Zueinander zu finden, bereitet mitunter Schwierigkeiten. Gleichheit in der Würde bedeutet in der Herde des Guten Hirten nicht Gleichheit in den Ämtern und Tätigkeiten. So können die besonderen Aufgaben des bischöflichen und priesterlichen Hirtenamtes nicht einfach auf Laien übergehen. Andererseits haben die Hirten die spezifischen Aufgaben der Laien zu achten. Deshalb soll es auch nicht gesche-hen, daß Laien ihre Dienste an Priester, Diakone oder hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen. Nur wenn jeder den Platz einnimmt, der ihm gebührt, wird der gemeinsame Weg von Hirte und Herde gelingen.

Mir liegt sehr daran, Euch, liebe Schwestern und Brüder im Laienstand, meine tiefempfundene Anerkennung auszusprechen. Euer Einsatz ist mit Geld nicht zu bezahlen. Ohne Euch wären unsere Pfarrgemeinden nicht nur ärmer. Ihnen würde etwas Wesentliches fehlen. Ich bitte Euch alle, Euer Apostolat auch in Zukunft ernst zu nehmen, sei es als Lektoren oder Kommunionhelfer, als Mitglieder von Kirchenchören und Gebetsgruppen oder bei der Hinführung der Kinder und Jugendlichen zur Erstkommunion und Firmung. Ausdrücklich ermutige ich die Laien dazu, aufs engste mit ihren Priestern zusammenzuarbeiten.

Dabei erinnere ich an die Bedeutung der Pfarrgemeinderäte, in denen die pastoralen Probleme Ain gemeinsamer Beratung@ zu prüfen und zu lösen sind (vgl. Apostolicam actuositatem, 10). Wagt den Dialog in Euren Gremien!

Nicht vergessen möchte ich die zahllosen Männer und vor allem Frauen, die sich ohne viele Worte, aber mit großer Hingabe im caritativen Bereich aufzehren. Sie kümmern sich um Alte, Kranke und Einsame. Auf diese Weise lassen sie gerade die Menschen auf der Schattenseite des Lebens spüren, was es heißt: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen.

5. ADu deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde@ (Ps 23, 5). Auch wenn die Christen nicht gewaltsam verfolgt werden, ist es für sie nicht leicht, Zeugnis zu geben. Vielfach begegnet ihnen die Masse mit Gleichgültigkeit, einer Haltung, die nicht weniger schwer wiegt als offene Feindseligkeit. Die Priester und ihre Mitarbeiter decken den Tisch des Wortes und der Eucharistie. Dabei müssen sie die enttäuschende Erfahrung machen, daß die Zahl der Gäste, die der Einladung folgen, stetig abnimmt. Der Tisch des Wohlstandes und des Konsumismus scheint anziehender zu sein. Deshalb leben viele Zeitgenossen so, als wenn es Gott nicht gäbe. Gleichzeitig haben Formen weitverbreiteter Volksfrömmigkeit überdauert, denen allerdings die Grundlage bewußter Überzeugung fehlt. Deshalb besteht die Gefahr, daß sie in der Konfrontation mit der zunehmenden Säkularisierung austrocknen. Die Gleichgültigkeit gegenüber dem christlichen Erbe ist ebenso gefährlich wie eine offene Feindseligkeit.

Nur eine neue Evangelisierung wird die Vertiefung eines reinen und festen Glaubens gewährleisten, der die überkommenen Traditionen in eine befreiende Kraft verwandeln kann.

Haben wir noch Ressourcen, aus denen wir zehren können? Wo liegen die Quellen, aus denen wir schöpfen dürfen? Christen von Österreich, Ihr wißt, wo diese Quellen liegen!

Das alte Europa, das zu einer neuen Völkerfamilie zusammenwachsen will, scheint verkrustet. Der Kontinent schickt sich an, die Botschaft, die ihn seit den ersten Jahrhunderten der neuen Zeitrechnung erreicht hat, langsam zu vergessen. In vielen mittel- und osteuropäischen Ländern durfte mehr als fünfzig Jahre lang das Evangelium nicht mehr verkündet werden. Unter diktatorischen Machthabern ohne Gott ist das Licht in den Tabernakeln erloschen. Die Gotteshäuser sind zu Denkmälern vergangener Zeiten erstorben.

Heute dürfen wir jedoch feststellen: Diese Herrschaftssysteme sind untergegangen. Doch die alten Quellen fließen weiter in Fülle und Frische: die Heilige Schrift als Ader der Wahrheit; die Sakramente der Kirche, aus denen die Kraft der Gegenwart Christi fließt; das Gebet, bei dem die Seele Atem holen darf aus dem frischen Sauerstoff der Gnade Gottes.

6. Diese Quellen stehen offen für alle. Gerade Ihr, liebe Jugendliche, dürft daraus schöpfen. Ihr sollt wissen: Der Papst zählt auf Euch! Auch wenn Ihr Euch manchmal als kleine Herde fühlt, verliert den Mut nicht: Ihr seid das Kapital des Guten Hirten.

Zwölf Männer sind am Anfang in die ganze Welt hinausgezogen. Deshalb traut der Papst Eurer Jugend zu, dem alten Europa wieder ein christliches Gesicht zu geben. Setzt dabei auf Euer persönliches Zeugnis. Ihr seid "ein Brief Christi@ (2 Kor 3,3), Seine Visitenkarte! Wer Euch begegnet, soll wissen, daß er eine gute Adresse hat.

Bei der Ausübung meines Hirtenamtes habe ich mich in den verschiedenen Gegenden der Welt immer mehr in die Wahrheit hineingehört, über die ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe: ADer Mensch unserer Zeit vertraut mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien@ (N. 42). In der Begegnung mit Euch sollen Eure Altersgenossen spüren, daß etwas Besonderes in Euch steckt, was sie nicht erklären können. Ihr aber kennt es genau - dieses "Etwas", das der Psalm treffend ausdrückt: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen.

7. Aus den nie versiegenden Quellen der Gnade haben die Heiligen geschöpft. Deshalb sind sie wahre Missionare (vgl. Redemptoris missio, 2). So ist die Geschichte Eurer Heimat auch eine Geschichte Eurer Heiligen. Diese Geschichte reicht bis in die jüngste Vergangenheit.

Vor einigen Monaten wurden in Rom die Priester Otto Neururer und Jakob Gapp seliggesprochen. Am Sonntag werde ich in Wien neben zwei weiteren Dienern Gottes Schwester Restituta Kafka zur Ehre der Altäre erheben. In diesen Gestalten wird deutlich, worin jede Hirtenexistenz gipfelt: ADer Gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe@ (Joh 10, 11). Wenn die Kirche an dunkle Kapitel der Geschichte erinnert, dann will sie nicht alte Wunden aufreißen, sondern nur das Gedächtnis heilen. Die Täter der Gewalt haben die Bühne verlassen, gekommen sind die Helden der Liebe. Sie haben bezeugt, daß sich gerade in den tragischen Jahren unseres Jahrhunderts, als auch Euer Land vom Bösen mächtig geschüttelt wurde, das Gleichnis vom Guten Hirten erfüllt hat. In ihrem Leben und in ihrem Sterben spiegelt sich ihre Hoffnung wider: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen.

8. Liebe Schwestern und Brüder!

Euer Oberhirte, Erzbischof Eder, hat mich gebeten, die Statue Unserer Lieben Frau von Fatima zu krönen und die 1200 Jahre alte Erzdiözese Salzburg dem Schutz der Gottesmutter anzuvertrauen. Ich habe diese Bitte gern erfüllt. Eure altehrwürdige Kirche hat die Jungfrau Maria stets aufrichtig und tief verehrt. Ich bin sicher, daß die Gottesmutter Euren Wunsch nicht abweisen wird, Euch als Schutzfrau und Führerin auf Eurem Weg zu begleiten.

Ihr vertraue ich Eure Erzdiözese und jeden von Euch an. Maria möge Euch unter ihren Schutzmantel nehmen: "Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten ..."

Unter dem Schutz deines Mantels, Maria, sind unsere Ängste und Sorgen gut aufgehoben. Wir schöpfen wieder Mut und Zuversicht. Wir schauen dich an und lernen von dir, uns neu in vollkommener Hingabe zu überantworten: Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. Amen.

 

Grußworte an die ökumenischen Vertreter

Am Ende dieses feierlichen Gottesdienstes unter dem Thema "Mission" ist es mir ein Anliegen, daran zu erinnern, daß die Christen trotz allem, was sie noch trennt, in der Einen Taufe und in der Annahme des Apostolischen Glaubensbekenntnisses verbunden sind. So grüße ich die Mitglieder des Vorstands des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, seinen Vorsitzenden Metropolit Michael von Austria, den Bischof der evangelischen Kirche in Österreich, Magister Herwig Sturm, und die Vertreter der Ökumene vor Ort sehr herzlich.

Ich danke Ihnen für die Teilnahme an dieser Feier. Meine besondere Anerkennung gilt auch allen in diesem Lande, die sich in beispielhafter Weise für das Gelingen der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz eingesetzt haben.

Möge der mühevolle Weg der Versöhnung mit aller Kraft fortgesetzt werden, damit das gemeinsame Zeugnis der Christen eine Stärkung für alle Menschen guten Willens werde.

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Ansprache von Papst Johannes Paul II. am Salzburger Flughafen

1. Mit Freude betrete ich heute wiederum österreichischen Boden. Von Herzen grüße ich alle hohen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die mich hier durch ihre Anwesenheit beehren. Zugleich heiße ich alle Bürgerinnen und Bürger dieses schönes Landes willkommen, das ich als Bischof von Rom nun schon zum dritten Mal besuchen darf.

Ich danke Ihnen, verehrter Herr Bundespräsident, für ihre herzlichen Begrüßungsworte. Mit dem Gefühl brüderlicher Wertschätzung schaue ich auf die Bischöfe dieses Landes und danke ihnen für die erneute Einladung, nach Österreich zu kommen.

Pax! Pax vobis! So grüße ich Sie heute mit dem Wunsch des Auferstandenen: Der Friede sei mit Euch. Friede Ihrem Land! Friede der Kirche in Österreich! Friede den Gemeinschaften und Pfarren, Friede den Herzen der Menschen! Friede sei mit Euch allen!

 

2. Der wahre Friede kommt aus dem Herzen. "Liegst dem Erdteil du inmitten, einem starken Herzen gleich", heißt es trefflich in Ihrer Bundeshymne. In den vergangenen Jahren hat sich das Land im Herzen Europas in die Weggemeinschaft derer begeben, die sich die Einigung des Kontinents zum Ziel gesetzt haben. Um das neue Europa aufzubauen, werden viele Hände gebraucht, besonders aber Herzen, die nicht nur für Gewinn und Geld schlagen, sondern für Gott um des Menschen willen. Mein Wunsch ist es, daß das Herz Europas stark und gesund bleibe. Deshalb bete ich dafür, das Denken und Handeln aller Bürgerinnen und Bürger Österreichs möge vom festen Willen geleitet sein, die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten und das Leben in allen seinen Formen und Phasen uneingeschränkt zu bejahen. Denn im Reichtum des christlichen Erbes ist es besonders das Verständnis vom Menschen, das die europäische Kultur entscheidend mitgeprägt hat.

Zur sinnvollen Planung eines Hauses gehört der richtige Maßstab. Denn wer kein Maß kennt, verfehlt auch das Ziel. Die Architekten des europäischen Hauses können dabei auf das christliche Menschenbild zurückgreifen, das der alten Kultur des Kontinents eingeprägt ist und der viel bewunderten Höhe ihrer Schaffenskraft und Leistung den Boden bereitet hat. Das Verständnis vom Menschen als Bild und Gleichnis Gottes ist daher kein antikes Museumsstück aus längst vergangenen Zeiten. Vielmehr stellt es die Grundlage für ein modernes Europa dar, in dem die zahlreichen Bausteine unterschiedlicher Kulturen, Völker und Religionen zur Errichtung des neuen Bauwerks zusammengehalten werden. Ohne diesen Maßstab ist das im Bau befindliche europäische Haus in Gefahr, aus den Fugen zu geraten und auf Dauer keinen Bestand zu haben.

 

3. Auf diese Weise weitet mein Besuch unseren Blick über die Grenzen dieses Landes auf ganz Europa hinaus, auf alle Völker dieses Kontinents mit ihrer Geschichte, vom Atlantik zum Ural, von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Österreich hat in besonderer Weise dessen Geschicke geteilt und entscheidend mitbeeinflußt. Es zeigt exemplarisch, wie eine Vielzahl von Volksstämmen auf begrenztem Raum spannungsreich zusammenleben und mit schöpferischer Gestaltungskraft in der Vielfalt Einheit schaffen kann. Auf dem Territorium des heutigen, im Verhältnis zu anderen Ländern kleinen Österreich haben sich die Wesenszüge von Kelten und Romanen, von Germanen, Ungarn und Slawen eingeprägt und in der Bevölkerung lebendig erhalten. So wird Österreich zum Spiegel und Modell für ein vereintes Europa, das nicht ausgrenzt, sondern Platz hat für alle.

 

4. Veni Creator Spiritus! Komm Schöpfer Geist!

Diese Bitte wird wie ein Kehrvers die nächsten Tage durchziehen, die ich in Ihrem geschätzten Land verbringen darf. In den kommenden drei Tagen gehöre ich Österreich!

"Komm, Schöpfer Geist, und entzünde in uns das Feuer deiner Liebe!" Diese Bitte verknüpfe ich mit meinem innigen Dank Ihnen gegenüber, sehr verehrter Herr Bundespräsident, und an Sie, liebe Brüder im Bischofsamt. In der Vorfreude darauf, unsere Gemeinschaft im Glauben und Feiern zu leben, rufe ich den geliebten Bewohnern dieses Landes noch einmal zu: Der Friede sei mit euch!

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Samstag 20. Juni 98

Europarede des Papstes in der Wiener Hofburg


Sehr verehrter Herr Bundespräsident!
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!
Sehr geehrte Damen und Herren!

1. Es ist für mich eine besondere Freude und Ehre, heute mit Ihnen, Herr Bundespräsident, den Mitgliedern der Bundesregierung sowie mit Vertretern des politischen und öffentlichen Lebens der Republik Österreich zusammenzutreffen. Unsere Begegnung unterstreicht ein weiteres Mal das gute partnerschaftliche Verhältnis, das seit langer Zeit zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl besteht.
Zugleich dürfen wir sichtbar erleben, wie dieses fruchtbare Miteinander eingebunden ist in das weit gespannte Netz diplomatischer Beziehungen, das Österreich zu Staaten auf der ganzen Welt mitknüpft. Ich danke den anwesenden Diplomaten für die Ehre, die Sie mir durch Ihr Erscheinen erweisen und für Ihren Einsatz in der "Kunst des Friedens".
Diese historische Stätte ist ein sehr passender Ort, zunächst den Blick über die Grenzen dieses Landes hinaus zu weiten auf das sich einigende Europa und dessen Einbindung in die Völkerfamilie aller Kontinente, um dann in das Innere Österreichs zu schauen.

2. Mein erster Pastoralbesuch in Österreich im Jahre 1983 wurde mit einer Europa-Vesper eröffnet, die wir im Zeichen des Kreuzes feiern durften. Damals hat Kardinal Franz König den Versammelten zugerufen: "In unserem kleinen Land an der Trennungslinie zweier Welten [...] kann man, muß man von Europa sprechen!"
Als gut sechs Jahre später die Mauer zu bröckeln begann und der Eiserne Vorhang fiel, schien die Trennungslinie zweier Welten der Vergangenheit anzugehören. Dennoch sind seither manche Euphorien verflogen und viele Hoffnungen wurden enttäuscht. Denn es reicht nicht aus, dem Menschen nur mit materiellen Gütern die Hände zu füllen, wenn sein Herz dabei leer bleibt und keinen Sinn entdeckt. Auch wenn es ihm nicht immer bewußt ist und er kurzlebige oberflächliche Vergnügungen nicht selten der dauerhaften inneren Freude vorzieht, muß er am Ende doch feststellen: Der Mensch lebt nicht nur von Brot und Spielen.

3. Tatsächlich ist die Trennungslinie zweier Welten weder aus der wirtschaftlichen Wirklichkeit noch aus dem Inneren der Menschen gewichen. Sogar in einem gesellschaftlich wohlgeordneten und wirtschaftlich blühenden Land wie Österreich greifen Orientierungslosigkeit und Zukunftsangst um sich.
Scheint es nicht, daß sich auch in das bislang bewährte Gebäude der Zusammenarbeit zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, das zum Wohlstand des Landes und zur Wohlfahrt seiner Bürgerinnen und Bürger wesentlich beigetragen hat, gefährliche Risse eingeschlichen haben?
Greifen nicht, wenige Jahre nach dem Votum der Österreicher für den Beitritt zur Europäischen Union, Euro-Skeptizismus und Frustration um sich?

4. In der Geographie Europas ist Österreich nach vielen Jahrzehnten vom Grenzland zum Brückenland geworden. In wenigen Tagen übernimmt es turnusgemäß den Ratsvorsitz in der Europäischen Union. In der Vergangenheit oft Brennpunkt europäischer Geschichte, wird Wien nun zum Zentrum vieler Hoffnungen, vor allem für jene Länder, die gerade dabei sind, Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufzunehmen. Ich hoffe, daß Schritte gelingen, um den Westen und den Osten dieses Kontinents einander näher zu bringen, jene beiden Lungen, ohne die Europa nicht atmen kann.
Die Verschiedenheit der östlichen und westlichen Traditionen wird die Kultur Europas bereichern sowie durch deren Bewahrung und gegenseitige Ausleuchtung als Grundlage für die ersehnte geistige Erneuerung dienen. Deshalb sollte vielleicht weniger von einer "Osterweiterung" als vielmehr von einer "Europäisierung" des gesamten Kontinents die Rede sein.

5. Lassen Sie mich diesen Gedanken ein wenig vertiefen: Am Anfang meines Pontifikates habe ich den auf dem Petersplatz in Rom versammelten Gläubigen zugerufen: "Öffnet die Tore für Christus!" (Homilie, 22. Oktober 1978). Heute spreche ich in dieser geschichtlich, kulturell und religiös so bedeutenden Stadt die Einladung an den alten Kontinent noch einmal aus: "Europa, öffne die Tore für Christus!"
Nicht Kühnheit oder Träumerei bewegen mich dazu, sondern Hoffnung und Realismus. Denn europäische Kultur und Kunst, Geschichte und Gegenwart waren und sind noch so sehr vom Christentum geformt, daß es ein völlig entchristlichtes oder gar atheistisches Europa nicht gibt.
Davon zeugen nicht nur Kirchen und Klöster in vielen Ländern Europas, Kapellen und Kreuze an den Wegen durch Europa, christliche Gebete und Gesänge in allen europäischen Sprachen. Noch eindringlicher sprechen die zahllosen lebendigen Zeugen: suchende, fragende, glaubende, hoffende und liebende Menschen; Heilige in Geschichte und Gegenwart.

6. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß europäische Geschichte eng mit der Geschichte jenes Volkes verflochten ist, aus dem Jesus Christus hervorgegangen war. In Europa wurde dem jüdischen Volk unaussprechliches Leid zugefügt. Wir können nicht unbedingt davon ausgehen, daß alle Wurzeln dieses Unrechts unwiederbringlich ausgerissen sind. Aussöhnung mit den Juden gehört also zu den Grundpflichten gerade für die Christen in Europa.

7. Noch eine weitere große Aufgabe stellt sich den Baumeistern Europas: aus einer westeuropäischen Wohlstandsinsel eine gesamteuropäische Zone der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu schaffen. Materielle Opfer werden für die wohlhabenderen Länder unvermeidlich sein, um das unmenschliche Wohlstandsgefälle innerhalb Europas allmählich abzuflachen. Daneben ist geistige Hilfe nötig, um den weiteren Aufbau demokratischer Strukturen und deren Festigung voranzutreiben und eine Kultur der Politik im Sinne rechtsstaatlicher Verhältnisse zu fördern. In diesem Bemühen bietet die Kirche als Orientierung ihre Soziallehre an, in der die Sorge und Verantwortung für den ihr von Christus anvertrauten Menschen im Mittelpunkt steht: "Es handelt sich nicht um einen ‘abstrakten’ Menschen, sondern um den realen, ‘konkreten’ und ‘geschichtlichen’ Menschen", den die Kirche nicht verlassen darf (Centesimus annus, 53).

8. Hier kommt der ganze Globus in den Blick, der sich mehr und mehr zu einem "Weltdorf" zu entwickeln scheint. Die Rede von der Globalisierung ist heute im Munde vieler, die sich den ökonomischen Prozessen in großen Dimensionen widmen. Wenn die Regionen der Welt wirtschaftlich zusammenrücken, soll dies allerdings nicht mit einer Globalisierung an Armut und Elend verbunden sein, sondern in erster Linie mit einer Globalisierung an Solidarität.
Ich bin überzeugt, daß sich Österreich nicht nur aus politischen und ökonomischen Gründen in den Globalisierungsprozeß einbringen wird, sondern auch aufgrund der Beziehungen, die dieses Volk mit anderen Nationen verbinden, wie sein beispielhafter Einsatz für die notleidenden Schwestern und Brüder in Südosteuropa ebenso gezeigt hat wie seine stete Unterstützung der Entwicklungsländer. Außerdem erinnere ich an die Bereitschaft Österreichs, seine Türen Menschen aus anderen Ländern zu öffnen, die dort ihrer Religionsfreiheit, ihrer Freiheit der Meinungsäußerung oder der Achtung ihrer Menschenwürde beraubt sind. Auch meine Landsleute haben Ihnen in der Vergangenheit viel zu verdanken. Bleiben Sie der guten Tradition dieses Landes treu! Bewahren Sie sich auch weiterhin die Bereitschaft, Ausländer aufzunehmen, die ihre Heimat verlassen mußten!

9. Mit diesem Wunsch wende ich mich nun einer Frage zu, die immer drängender wird. Nicht nur Sie, die Sie in diesem Land leben und Verantwortung tragen, sehen sich einem Problem gegenüber, das zunehmend die Herzen einzelner, aber und auch ganzer Familien und Gesellschaftsschichten belastet. Ich meine den fortschreitenden Ausschluß vieler, vor allem jugendlicher und älterer Menschen, vom Recht auf Arbeit.
Bedingt durch den wirtschaftlichen Wettbewerb, wird trotz positiver Bilanzen der Arbeitsmarkt nicht belebt. Deshalb erachte ich es als meine Pflicht, die Stimme für die Schwächeren zu erheben: Subjekt der Arbeit ist der Mensch als Person! Auch in der modernen Arbeitswelt soll Platz sein für Schwache und weniger Begabte, für Alte und Behinderte und für die vielen jungen Menschen, denen eine entsprechende Ausbildung vorenthalten wird. Selbst das Zeitalter hochentwickelter Techniken darf den Menschen nicht vergessen! Bei der Bewertung seiner Arbeit müßte neben dem objektiven Ergebnis auch Bemühen und Einsatz, Treue und Zuverlässigkeit ins Gewicht fallen.

10. Damit berühre ich noch einen letzten Themenkreis, der mir sehr am Herzen liegt. Zu den Grundanliegen meines Pontifikats gehört der Aufbau einer "Kultur des Lebens", die einer sich ausbreitenden "Kultur des Todes" entgegenwirken soll. Daher werde ich nicht müde, den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens vom Augenblick seiner Empfängnis an bis zum natürlichen Tod einzufordern. Die Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs während der Frist der ersten drei Monate, wie sie in Österreich gilt, bleibt eine blutende Wunde in meinem Herzen.
Darüber hinaus stellt sich das Problem der Euthanasie: Auch Sterben ist ein Teil des Lebens. Jeder Mensch hat ein Recht, in Würde zu sterben, wann Gott es will. Wer daran denkt, einem Menschen dieses Recht zu nehmen, nimmt ihm letztlich das Leben. Jeder Mensch hat einen so hohen Wert, daß er mit Geld nie aufzuwiegen ist. Deshalb darf er weder einer schrankenlosen Privatautonomie noch irgendwelchen Sachzwängen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art geopfert werden. Manche ältere Zeitgenossen kennen nicht nur aus den Geschichtsbüchern die dunklen Kapitel, die das zwanzigste Jahrhundert auch in diesem Land geschrieben hat. Wenn das Gesetz Gottes außer acht bleibt, wer kann dann garantieren, daß nicht irgendwann eine menschliche Macht wieder das Recht für sich beansprucht, über den Wert oder Unwert einer Phase menschlichen Lebens zu befinden?

Verehrter Herr Bundespräsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!

11. Treu zur Heimat und offen für Europa, der Vergangenheit verpflichtet und bereit für die Zukunft - das waren Stichpunkte meiner Gedanken, die ich Ihnen heute vorlegen wollte.

Bei allem Stolz, mit dem ich dankbar auf den reichen Schatz des Christentums blicke, bitte ich, dieses Erbe als Angebot zu verstehen, das die Kirche am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends lebendig darstellen möchte. Niemand möchte die Universalisierung dieses Erbes als Sieg oder Bestätigung einer Überlegenheit werten. Das Bekenntnis zu bestimmten Werten soll lediglich auf das Bemühen hindeuten, am Aufbau einer wirklichen universalen menschlichen Gemeinschaft mitarbeiten zu wollen: einer Gemeinschaft, die keine Trennungslinien verschiedener Welten mehr kennt.
So wird es auch von uns Christen abhängen, ob Europa sich bei seinen zeitlichen Bestrebungen in sich und seine Egoismen einkapselt, wobei es auf seine Berufung und seine Rolle in der Geschichte verzichten würde, oder ob es in der Kultur des Lebens, der Liebe und der Hoffnung seine Seele wiederfindet.
Österreich im Herzen Europas hat Brückenfunktion.
Wie meine Aussage über den Menschen, so ist auch diese Fest-stellung nicht abstrakt, sondern sehr konkret: Ich wünsche Ihnen allen viel Mut zum Brückenbauen!

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Begrüßung des Heiligen Vaters am 20. Juni 1998 zur Heiligen Messe in St. Pölten durch Bischof Dr. Kurt Krenn

Gelobt sei, der kommt im Namen des Herrn.

Lieber, verehrter Heiliger Vater!

Das hier versammelte Volk Gottes aus der Diözese St. Pölten, aus Niederösterreich, aus Österreich und seinen Nachbarländern begrüßt Sie mit Ehrfurcht und Liebe. Sie kommen zu uns als der Stellvertreter Christi und als der Nachfolger des Petrus, dem die Sorge für die gesamte Kirche Christi anvertraut ist.

Wir sind versammelt, um Ihr Wort zu hören und das Eucharistische Opfer unseres Erlösers mit Ihnen zu feiern. Schon einmal, als St. Pölten noch nicht Diözese war, besuchte ein Papst die Stadt des heiligen Hippolyt; Papst Pius VI. verweilte am 22. April 1782 von Wien kommend zum Gebet in der Kirche der Englischen Fräulein, ehe er im Stift Melk nächtigte. Der Papst war damals mit großer Sorge nach Österreich gekommen, um die Aufgaben und Rechte der Kirche gegenüber dem damaligen staatlichen System geltend zu machen. Der Erfolg des Papstes blieb einst gering; aber das Zeugnis des Papstes über die Sendung der Kirche Christi wirkt bis in unsere Zeit und hat das Recht der Kirche auf ihre besondere Identität bewahrt.

Heiliger Vater! Unsere Diözese stellt die heutige Eucharistiefeier gemäß Ihrer Botschaft zum Heiligen Jahr 2000 unter die Anrufung des Heiligen Geistes im Anliegen der Berufung zum Christsein, zum geweihten Dienst des Priesters und zum gottgeweihten Leben.

Nur als bekehrte Gläubige können wir den Auftrag zur Neuevangelisierung unseres Landes wahrnehmen als Berufung des Laienchristen und als Dienst der Geweihten in unserer Kirche. Mit dem Heiligen Vater beten wir um Versöhnung mit Gott und um die Umkehr unserer Herzen zum dreifaltigen Gott, der die Kirche zum Volk Gottes eint.

Geliebter Heiliger Vater! Wir danken für Ihren ersten Pastoralbesuch in der Diözese St. Pölten; wir danken für die Seligen, die Sie unserer Kirche geben werden, besonders für den Priester Jakob Kern. Es beten mit Ihnen unsere Kinder und Familien; es begleiten Sie unsere Priester, Diakone und Mitarbeiter; es vereinen sich mit uns die vielen Gläubigen und alle Menschen guten Willens, die Sie als den großen Lehrer der Barmherzigkeit Gottes und der Würde des Menschen verehren. Seit fast 20 Jahren dienen Sie in großer Aufopferung der Kirche, die der Leib Christi ist. Wir wünschen Ihnen gute Gesundheit und heilige erfüllte Freude im höchsten Amt der Kirche.

Heiliger Vater! Wir brauchen das Zeugnis Ihrer Liebe in der Wahrheit der Botschaft Christi. Unsere Menschen sehnen sich nach dem Frieden in der Welt, auch nach dem Frieden in der Kirche unseres Landes. Lehren Sie uns begreifen, daß es der Friede Christi, den die Welt nicht gibt, sein muß, der die Früchte des Geistes – Liebe, Freude, Langmut, Freundlichkeit, Güte und Treue (vgl. Gal 5,22) – gedeihen läßt.

Wir glauben, daß Wahrheit ist, was uns Gott in Christus kundgetan hat. Wahrheit wiederum verlangt die Übereinstimmung mit dem, was und von Gott durch die Kirche gesagt wird. So möge im Heiligen Geist der Wahrheit gelingen, was der Apostel Paulus sagt: "Wir können unsere Kraft nicht gegen die Wahrheit einsetzen, nur für die Wahrheit" (2Kor13).

Wir bitten Sie nun um die Feier des Heiligen Opfers, das unser Erlöser einmal für alle Zeit und für alle Menschen dem Vater im Geist darbringt.

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Predigt des Papstes beim Festgottesdienst in St. Pölten

"Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt" (Lk 4, 18).

1. Das ganze Leben Jesu steht unter dem Einfluß des Heiligen Geistes. Am Anfang ist er es, der die Jungfrau Maria im Geheimnis der Menschwerdung umschattet. Am Jordan ist es wieder der Geist, der auf Jesus herabkommt, während der Vater den geliebten Sohn bezeugt. Dann führt der Geist den Sohn in die Wüste. In der Synagoge von Nazareth bestätigt Jesus von sich selbst: "Der Geist des Herrn ruht auf mir" (Lk 4, 18).

Diesen Geist verspricht Jesus den Aposteln als fortwährenden Garanten seiner Gegenwart in ihrer Mitte. Am Kreuz gibt der Sohn den Geist an den Vater zurück (vgl. Joh 19, 30). So besiegelt er den Neuen Bund, der aus dem Osterereignis hervorgeht. Am Pfingsttag schließlich gießt er den Heiligen Geist über die Urgemeinde aus, um sie im Glauben zu festigen und die Apostel als lebendige und mutige Zeugen auf die Straßen der Welt hinauszusenden.

2. Von damals bis heute wird der mystische Leib Christi, seine Kirche, auf ihrem Weg durch die Zeit vom Wehen desselben Geistes angetrieben. Die Kirche erleuchtet die Geschichte mit dem glühenden Feuer des Wortes Gottes und reinigt die Herzen der Menschen mit den Strömen reinen Wassers, die aus ihrem Innern fließen (vgl. Ez 36, 25). So wird sie "das durch die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Volk" (Cyprian, De Dom. Orat., 23).

In dieser Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes hat jeder Getaufte die Möglichkeit, unter "dem Gesetz des Geistes, der Leben in Christus Jesus schenkt" (Röm 8, 2) zu leben. Unter der Führung des Geistes tritt der Christ in den "geistlichen Raum" ein, in dem sich der Dialog mit Gott ereignet. Die Fragen, die der Mensch stellt, sind eigentlich Anrufe, die Gott im Innern des Menschen weckt: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin soll ich gehen?

Liebe Schwestern und Brüder! Ihr seid Gesprächspartner Gottes! Seit Ihr in der Taufe zu Christus gehört, hat Gott Euch in Christus zu seinen Söhnen und Töchtern adoptiert. Seid Euch dieser hohen Würde bewußt! Verspielt nicht diese große Ehre!

 

Gott hat mit jedem von Euch einen ganz persönlichen Plan. Sein Auge ist jedem liebend zugewandt. Er schenkt allen immer sein Ohr. Wie ein treusorgender und feinfühliger Vater ist Er Euch nahe. Er gibt Euch das, was Ihr zum neuen Leben braucht: Seinen Heiligen Geist.

3. Mit Eurer Eingliederung in die Kirche habt Ihr nicht nur den Namen "Christen", "Gesalbte" erhalten, sondern auch die Salbung des Heiligen Geistes. Deshalb sollt Ihr nicht nur Christen heißen, sondern es in Wahrheit sein. Der Geist Gottes ruht auf Euch. Denn der Herr hat Euch gesalbt (vgl. Lk 4, 18).

Im neuen Leben, das der Taufe entspringt und sich durch das Wort und die Sakramente entfaltet, finden die Gnadengaben, die Ämter und die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens ihre Nahrung. Schon der Völkerapostel Paulus hat im Blick auf die Gemeinde von Korinth festgestellt: "Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur einen Geist" (1 Kor 12, 4).

 

Neue Berufungen sind auch heute möglich durch den Heiligen Geist. Dafür muß man eine Umgebung schaffen, die dem Hören auf Gottes Anruf förderlich ist. Große Bedeutung kommt dabei den Pfarrgemeinden zu. Wenn dort eine Haltung wahrer Treue zum Herrn gelebt wird und ein Klima tiefer Religiosität und ehrlicher Bereitschaft zum Zeugnis herrscht, ist es für einen Berufenen leichter, mit "Ja" zu antworten. Die Lebendigkeit einer Pfarrgemeinde wird ja nicht nur an der Anzahl ihrer Aktionen gemessen, sondern an der Tiefe ihres Gebetslebens. Das Hören auf Gottes Wort auf der einen und die Feier und Anbetung der Eucharistie auf der anderen Seite sind die beiden tragenden Säulen, die einer Pfarrgemeinde Halt und Festigkeit geben.

Das Klagen über den Mangel an Priestern und Ordensleuten hilft wenig. Berufungen sind menschlich nicht zu "machen". Berufungen können aber von Gott erbeten werden. Mein Wunsch ist es, daß Ihr den Herrn der Ernte inständig und stetig um neue Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben bittet.

 

4. Als Jesus am Kreuz seinen Geist an den Vater zurückgab, machte er aus allen Jüngern "ein Reich von Priestern und ein heiliges Volk" (Ex 19, 6). Er baute sie zu einem "geistigen Haus" auf, "zu einer heiligen Priesterschaft, um geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen" (1 Petr 2, 5). Dies ist das gemeinsame Priestertum, zu dessen Dienst er die Zwölf berufen hat, daß sie "mit ihm seien" (Mk 3, 14). Dann sandte er sie aus, damit sie in seinem Namen und an seine Stelle handelten.

Durch das Amtspriestertum führt Christus bis heute seine Heilssendung ununterbrochen fort. Er hat dafür Bischöfe und Priester eingesetzt, die "in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten, sind; sie verkündigen mit Vollmacht sein Wort, sie wiederholen sein vergebendes Wirken und sein umfassendes Heilsangebot" (Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, 15). Sie sind gesandt, um den Armen eine gute Nachricht zu bringen, um den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht und um die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen (vgl. Lk 4, 18). Das Amt in der Kirche ist also keine menschliche Errungenschaft. Es ist eine göttliche Stiftung.

Bei aller Anerkennung und Wertschätzung für die kostbaren Dienste der Laien in den Pfarrgemeinden darf man nicht vergessen: Im sakramentalen Bereich kann der Laie nie das ersetzen, was den Priester auszeichnet. Letztlich kann ein Priester nur von einem Priester ersetzt werden.

5. An dieser Stelle grüße ich Herrn Bischof Kurt Krenn, der zusammen mit seinem Weihbischof Heinrich Fasching nicht nur mit Sorgfalt dieses heutige Fest des Glaubens vorbereitet hat, sondern sich mit allen Kräften bemüht, auch in Zukunft den Gläubigen in den vielen Pfarren der ihm anvertrauten Diözese Sankt Pölten Priester zu senden. Ich grüße alle Brüder im Bischofsamt, besonders den Metropoliten, Herrn Kardinal Christoph Schönborn, und den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber.

Ich freue mich, daß der verehrte Herr Bundespräsident Thomas Klestil bei dieser Feier unter uns ist. Mit ihm grüße ich die Vertreter des politischen und öffentlichen Lebens, die uns die Ehre ihrer Anwesenheit geben.

Wenn ich mich an die Priester und Diakone wende, verbinde ich damit ein Wort der Anerkennung und Dankbarkeit: Diese Gefühle weite ich auf alle geweihten Amtsträger aus, die in den verschiedenen Diözesen dieses Landes wirken. Wie in Sankt Pölten, so gibt es auch in den anderen Teilen Österreichs viele, die sich mit unermüdlicher Hingabe in der Seelsorge aufzehren und sich weder Krankheit noch fortgeschrittenem Alter beugen. Mit Bewunderung blicke ich ebenso auf jene Priester, die bereit sind, sich über die ihnen anvertrauten Pfarren hinaus auch um Nachbargemeinden zu kümmern, damit den Gläubigen die Heilsmittel nicht fehlen. Lob gebührt auch den vielen Ordensleuten, die sich in der Seelsorge einsetzen. Zudem möchte ich die Priester nicht vergessen, die aus anderen Ländern kommen; einige davon sind aus meiner Heimat. Sie alle leisten einen wertvollen Beitrag zur Pastoral.

Liebe Priester, die jungen Menschen schauen auf Euch. Sie sollen feststellen, daß Ihr trotz Eurer Arbeitslast frohe Diener des Evangeliums seid und in der Wahl Eurer Lebensform Erfüllung und Zufriedenheit findet. An Eurem Zeugnis sollen die jungen Menschen sehen: Das Priestertum ist kein Auslaufmodell, sondern eine Berufung mit Zukunft!

6. Wie sollte man hier nicht auch in Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen Geist an die vielen Ordensgemeinschaften denken, die in der Geschichte gerade dieser Diözese für die Seelsorge so wichtig geworden sind! Liebe Brüder und Schwestern, ich grüße Euch aus ganzem Herzen. Ihr lebt nach den evangelischen Räten und bemüht Euch, durch Euer Verhalten den Weg zum Himmelreich zu weisen. Das gottgeweihte Leben gehört ins Herz der Kirche als ein Element, das für die Erfüllung ihrer Sendung entscheidend ist. Es drückt das Wesen christlicher Berufung und die Spannung der ganzen Kirche aus, die als Braut zur Vereinigung mit ihrem einzigen Bräutigam drängt.

7. Nicht vergessen möchte ich die christlichen Eheleute. Auch Eure Lebensform ist eine Berufung! Ich spreche Euch mein Lob aus und ermutige Euch in allen Euren Anstrengungen, aus der Gnade des Ehesakramentes zu leben. Eure Familien mögen "Hauskirchen" sein, in denen die Kinder lernen, den Glauben zu leben und zu feiern.

Ihr Väter und Mütter seid die erste Schule für Eure Kinder. Bemüht Euch um Eintracht im Hause, um den Geist des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, um die regelmäßige Teilnahme am kirchlichen Leben, um Gelassenheit und Stärke bei der Lösung der täglichen Schwierigkeiten. Bittet den Herrn, daß Eure Kinder einmal den Weg wählen, den Gott mit ihnen plant! Laßt ihnen auch die Freiheit, in die radikale Nachfolge Jesu Christi zu treten, wenn sie Gottes Ruf dafür verspüren. Kinder sind kein Besitz. Sie sind Euch von Gott für eine bestimmte Zeit anvertraut. Eure Sendung besteht darin, sie in die Freiheit hineinwachsen zu lassen, aus der heraus sie sich verantwortlich binden können.

8. In den Familien entscheidet sich auch die Zukunft von Kirche und Gesellschaft. Neben den vielen pastoralen Initiativen und Hilfen erwähne ich besonders das Internationale Theologische Institut für Studien zu Ehe und Familie, das als junge Pflanze in Gaming eingesetzt wurde und von den Bischöfen Österreichs mitgetragen wird. Gebe Gott, daß daraus ein starker Baum werde, der viele Früchte zugunsten der Wertschätzung von Ehe und Familie hervorbringt.

9. Liebe Schwestern und Brüder!

"Wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott" (1 Joh 4, 7). Viele unserer Zeitgenossen haben Gott als Vater verloren. Deshalb fehlt ihnen auch die Muttersprache des Glaubens. Helfen wir ihnen, sich in das Alphabet des Glaubens einzulesen. Zuneigung, Anteilnahme und Liebe gehören in den religiösen Grundwortschatz, den jeder versteht. Darauf kann man eine Grammatik des Lebens aufbauen, die dem Menschen hilft, den Plan, den Gott mit ihm hat, im Heiligen Geist zu buchstabieren.

Lebt in Taten vor, was ihr mit Worten lehrt. Zeigt, daß eine Frucht des Geistes auch die Freude ist. An der Schwelle des dritten Jahrtausends muß der Gedanke wieder neu ins Bewußtsein rücken: Wie Gott mit jedem einen Plan hat, so hat er für jeden auch eine Sendung. Ihr seid nicht nur Nachlaßverwalter der Vergangenheit, sondern auch Wegbereiter einer Zukunft, in die der Heilige Geist die Kirche führt!

Euer Landespatron, der heilige Leopold, möge Euch Vorbild und Fürsprecher sein. Er war nicht nur Vater seiner Familie, sondern auch Landesvater. Sein Gedenkstein, den ich bei meinem letzten Pastoralbesuch in Österreich segnen durfte, steht heute hier in diesem neuen Regierungsviertel. Er soll Euch allen Ansporn und Ermutigung sein!

Wir schauen auf die heilige Jungfrau Maria, deren Leben ein Weg im Heiligen Geiste war.

Maria, Magna Mater Austriae, dir vertrauen wir die Sorge um die Berufungen in den Priester- und Ordensstand an.

Maria, Mutter Gottes, trete bei deinem Sohn für die Kirche in Österreich ein. Bewirke, daß ihr viele junge Menschen geschenkt werden, die bereit sind, sich für die Nachfolge Christi zu entscheiden und sich selbst hinzugeben für das Reich Gottes.

Maria, Mutter der Kirche, bitte für uns! Amen.

 

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