News 25. 02. 2010

Deutschland: Turbulente Vollversammlung der Bischöfe ging zu Ende

Eine turbulente Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist am Donnerstag zu Mittag in Freiburg zu Ende gegangen. Im Mittelpunkt standen die Missbrauchsskandale mit Zentren in den Diözesen Berlin, Köln, Hildesheim und zuletzt München.

Die Bischöfe und führende Unionspolitiker übten scharfe Kritik an der FDP-Justizministerin der Berliner Koalition, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der sie unsachliche Polemik vorwerfen.

Sterile Seelsorge?

Der Trierer Bischof Stefan Ackermann warnte am Mittwoch vor einer "sterilen Seelsorge" als Folge der Skandale. Es drohe ein Klima des totalen Verdachts, in dem jeder Körperkontakt und jede Begleitung von Minderjährigen durch Priester mit Argwohn gesehen werde. Schon heute seien gemeinsame sportliche Aktivitäten, die früher selbstverständlich zur Jugendpastoral gehörten, kaum noch möglich.

Sachliche Aufarbeitung?

In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), Leutheusser-Schnarrenberger erwecke den falschen Eindruck, die Kirche würde eine Aufklärung behindern. Er halte die in den kirchlichen Leitlinien festgelegten Kriterien für eine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft für ausreichend, so Bosbach weiter. "Ich verstehe die Richtlinien so, dass die Kirche damit zwischen haltlosen Gerüchten und nachvollziehbaren Tatsachen unterscheiden will, ehe sie die Behörden hinzuzieht", betonte der Politiker. Ähnlich äußerte sich laut Zeitungsbericht Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU). "Ich kann nicht erkennen, dass die Kirche sich bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle ungebührliche Verzögerungen vorwerfen lassen muss", so Krings. Mit Blick auf Leutheusser-Schnarrenberger sagte er: "Öffentliche Schuldzuweisungen sind einer sachlichen Aufarbeitung der Vorfälle sicher nicht dienlich." CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl warf der Ministerin vor, "die katholische Kirche in der Öffentlichkeit pauschal auf die Anklagebank gesetzt" zu haben. Damit sei sie weit über das Ziel hinaus geschossen.

Kirche und Justizministerin suchen Gespräch

Unterdessen suchen die katholische Kirche und Leutheusser-Schnarrenberger das direkte Gespräch miteinander. Die Ministerin kündigte ein klärendes Schreiben an. Sie bot dem DBK-Vorsitzenden, Erzbischof Robert Zollitsch, der mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert hatte, außerdem ein Treffen an. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, kommentierte in der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) die jüngsten Schritte mit den Worten: "Wir sehen dem Brief und dem Gespräch positiv entgegen."

Skandal in Ettal

Medial erhitzten sich die Diskussionen allerdings am Mittwoch noch weiter, als auf Drängen der Erzdiözese München-Freising der Ettaler Benediktinerabt Barnabas Bögle zurücktrat. Wenige Stunden danach - in der Nacht auf Donnerstag - verlangte das Ordinariat von der Abtei, über die bekanntgewordenen Vorwürfe hinaus bis in die jüngste Zeit hinein nach weiteren Verfehlungen zu forschen. Die Abtei müsse erklären, wie mit Verdächtigen und Tätern verfahren wurde und ob diese in ihrem weiteren Dienst konsequent von jungen Menschen ferngehalten wurden. "Ein Verschleiern, Vertuschen und auf die lange Bank schieben wäre nicht hinnehmbar", betonte Generalvikar Peter Beer: "Unser Kurs heißt Null Toleranz bei sexuellem Missbrauch und beim Umgang mit möglichen Verbrechen." Die Erzdiözese, die seit Montag Amtshilfe leistet, sei zu jeder weiteren Unterstützung bereit. Erforderlich sei eine "umfassende, schnelle und konsequente Offenlegung aller relevanten Vorfälle durch das Kloster". Ihm sei bewusst, dass die Aufarbeitung solcher Anschuldigungen ein schmerzhafter Prozess sei, erklärte Beer. Es gebe dazu aber keine Alternative, "denn es geht um den Schutz von Kindern und Jugendlichen und um Gerechtigkeit für die Opfer".

Seit Montag bekannt

Am Montag war bekanntgeworden, dass der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland auch Gymnasium und Internat von Kloster Ettal betrifft. Zunächst war nur von länger zurückliegenden Fällen die Rede, seit Mittwoch geht es auch um Vorkommnisse in den vergangenen fünf Jahren. Der Abt trat zurück, nachdem er einen Verstoß gegen eine 2002 eingeführte Meldepflicht einräumen musste. Das Kloster hatte die Erzdiözese 2005 nicht über einen Missbrauchsverdacht informiert. Ettal zählt zu den bedeutendsten katholischen Bildungseinrichtungen in Deutschland.

 

 

 

Link:

- Private Internetseite für Betroffene mit Petition

 

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