News 19. 03. 2010

Deutsche Bischöfe wollen Leitlinien zu Missbrauch verschärfen

Die deutschen Bischöfe wollen ihre Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen verschärfen. Demnach muss künftig jeder Verdachtsfall der Staatsanwaltschaft gemeldet werden.

Die Bischofskonferenz der bayrischen Bistümer hatte diese Meldepflicht am Donnerstag bereits in Kraft gesetzt. Auch die Deutsche Bischofskonferenz insgesamt will sich nun daran orientieren, wie ihr Sprecher Matthias Kopp am Freitag in Bonn ankündigte: "Die Ergebnisse der Freisinger Bischofskonferenz werden in die Überarbeitung der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz einfließen."

Erzbischof Marx: "Da ist die Staatsanwaltschaft zuständig"

Laut einem Beschluss der bayrischen Bischofskonferenz sollen künftig alle Verdachtsfälle der Staatsanwaltschaft gemeldet werden. "Verdacht ist ein juristischer Begriff, und da ist die Staatsanwaltschaft zuständig", sagte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx am Donnerstag zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen (Landkreis Lichtenfels).

Lob von Justizministerin und "Wir sind Kirche"

Begrüßt wurde der Vorstoß der bayrischen Bischöfe von der deutschen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Es sei ganz wichtig, dass "bei Anhaltspunkten, die sich etwas verdichten, dann auch die Informationen an die Staatsanwaltschaft gehen", sagte die Ministerin in der Debatte über ihren Haushalt im Bundestag. Auch die Reformbewegung "Wir sind Kirche" befürwortet es, dass die Bischöfe nun eine Meldepflicht bei Missbrauchsverdacht einführen. Dass die Freisinger Bischofskonferenz außerdem verstärkte Präventionsbemühungen ankündigte, "ist ganz wichtig", sagte Sprecher Christian Weisner.

"Jedem Verdacht nachgehen"

"Die Bischöfe wollen jedem Verdacht nachgehen und jede Verfehlung aufklären. Deshalb empfehlen die bayerischen Bischöfe einstimmig, bei der Überarbeitung der Leitlinien die Meldepflicht bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft festzuschreiben und sie unabhängig davon sofort zu praktizieren", sagte Marx. Nach den seit 2002 geltenden Leitlinien zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger wird die Kirche lediglich verpflichtet, bei erhärteten Verdachtsfällen und bei Fällen, die noch nicht verjährt sind, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Außerdem kann die Kirche auf eine Anzeige verzichten, wenn die Opfer das nicht wollen. Bei sexuellem Missbrauch gebe es von staatlicher Seite allerdings keine Anzeigepflicht, gab Marx zu bedenken. Man müsse die Opfer deshalb ermutigen, mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt zu treten.

"Tiefe Betroffenheit und Scham"

Die bayerischen Bischöfe hätten sich "mit tiefer Betroffenheit und Scham" gegenseitig über die Missbrauchsfälle in ihren Diözesen informiert, berichtete Marx über die zweitägigen Beratungen. Am Mittwochabend hatten sie in einem Gottesdienst in der Wallfahrtsbasilika von Vierzehnheiligen um Vergebung gebeten. Man habe damit auch die Verantwortungsbereitschaft der Kirche zum Ausdruck bringen wollen, sagte Marx. "Von unserer Seite aus wollen wir alles tun, dass Aufklärung passiert."

Ein Entschädigungsfonds?

Den Opfern solle "Gerechtigkeit widerfahren", Täter müssten zur Verantwortung gezogen werden. "Die Opfer benötigen Hilfe zur Heilung der seelischen Wunden." Die Bischöfe wollten den einzelnen Opfern dabei über die gesetzliche Pflicht hinaus Hilfe gewähren, kündigten sie an. Unklar ist allerdings weiterhin, ob es einen Entschädigungsfonds geben wird. "Ich will nicht ausschließen, dass es auch Hilfen in finanzieller Form geben kann", sagte Marx. Gleichzeitig verwahrte er sich gegen einen "Generalverdacht gegen die Kirche". Man werde sich um eine umfassende Prävention bemühen und bei der Auswahl und Schulung von Mitarbeitern "große Sorgfalt und Umsicht walten lassen".

Bischöfe verteidigen den Papst

Marx verteidigte auch Papst Benedikt XVI. gegen Kritik. Dem Pontifex war vorgeworfen worden, sich bisher nicht zu den Missbrauchsfällen in seinem Heimatland geäußert zu haben. "Wir fühlen uns ermutigt vom Papst, ich spüre kein Defizit bei der Unterstützung des Papstes." Das zu erwartende Hirtenwort für die katholische Kirche in Irland "wird uns auch gelten", ergänzte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick.

 

 

 

 

Link:

- Diözesane Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der röm.-kath. Kirche

 

ORF TVthek:

- Missbrauchsfälle - Täglich neue Enthüllungen

 

Weitere News zum Thema:

- 18. 03. 2010: Zollitsch nimmt Papst gegen Schweige-Vorwurf in Schutz

- 17. 03. 2010: Deutsche Bischöfe erwarten Papst-Erklärung zu Missbrauch diese Woche

- 16. 03. 2010: Bistum Mainz hatte schon in 80er Jahren Hinweise auf Missbrauch

- 16. 03. 2010: Priester im Münchner Missbrauchsskandal suspendiert

- 15. 03. 2010: Vatikan: Papst wird sein Schweigen bald brechen

- 12. 03. 2010: Papst gibt deutschen Bischöfen Rückendeckung im Missbrauchsskandal

- 09. 03. 2010: Georg Ratzinger bedauert Gewalt in "Domspatzen"-Schule

- 09. 03. 2010: Deutsche Bischöfe sagen Behörden volle Unterstützung zu

- 05. 03. 2010: "Kultur des Wegschauens" - Erschütternde Details im deutschen Missbrauchsskandal

 

 
zum Seitenanfang Seitenanfang