Deutsche Regierung will rituelle Beschneidung ermöglichen
Die deutsche Regierung will klarstellen, dass rituelle Beschneidungen von Knaben in Deutschland vorgenommen werden können. Dies kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin an.
Das Landgericht Köln hatte kürzlich die Beschneidung als Körperverletzung eingestuft. Das Selbstbestimmungsrecht des Kindes werde dadurch verletzt. "Verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen müssen in diesem Land straffrei möglich sein", sagte Seibert. Gegen das Kölner Urteil haben Juden und Muslime scharf protestiert. Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert eine überparteiliche Gesetzes-Initiative.
Rechtliche Klarheit gefordert
Außenminister Guido Westerwelle forderte ebenfalls rechtliche Klarheit. "Es muss klar bleiben, dass in Deutschland die freie Religionsausübung geschützt ist", hieß es in einer Erklärung des Ministers. "Dazu zählt auch der Respekt religiöser Traditionen." Auch die Opposition unterstützt eine gesetzliche Klarstellung. Die Sozialdemokraten wie die Grünen sprachen sich dafür aus, die rituelle Beschneidung von Buben durch ein Gesetz zu erlauben.
Jahrtausende alte Traditionen
"Religionsbedingte Beschneidungen bei Jungen dürfen in Deutschland nicht strafbar sein", erklärten SPD-Chef Sigmar Gabriel und Ex-Justizministerin Brigitte Zypries. Sie unterstrichen: "Es kann nicht sein, dass Jahrtausende alte Traditionen von Millionen von Menschen auf diese Weise in Deutschland infrage gestellt werden".
Angriff auf jüdisches Leben?
Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, nannte das Kölner Urteil "den schwersten Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust". Sollte es Bestand haben, "sehe ich für die Juden in Deutschland keine Zukunft". Die Beschneidung sei "Grundlage für jüdisches Selbstverständnis". "Die Beschneidung ist für Juden absolut elementar", sagte der jüdische Zentralrats-Präsident Dieter Graumann der "Rheinischen Post" vom Samstag. Sollte das Kölner Urteil gegen Beschneidungen zur Rechtslage werden, dann "wären die Juden kalt in die Illegalität abgedrängt", betonte Graumann.
Einzelfall
Das umstrittene Urteil ist eine Entscheidung in einem Einzelfall. Es hat keine generelle Wirkung, aber dennoch erhebliche Folgen. Es hat Rechtsunsicherheit und eine Art Schwebezustand für Mediziner und jüdische wie muslimische Familien ausgelöst. Mediziner, die künftig religiös motivierte Beschneidungen an Buben vornehmen, können sich nur noch schwer darauf berufen, dass sie von der Rechtmäßigkeit des Eingriffs ausgegangen waren.
Anspruch auf Religionsfreiheit
Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx ist überzeugt, dass männliche Säuglinge in Deutschland auch künftig aus religiösen Gründen straffrei beschnitten werden können. Das Judentum habe auch in Deutschland einen Anspruch auf Religionsfreiheit, sagte Marx laut Kathpress. Der evangelische Berliner Theologieprofessor Jens Schröter betonte, dass die Kölner Richter die Bedeutung für die Religion im Gegensatz zur Stärke des Eingriffes falsch abgewogen hätten. Die eligionspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Maria Flachsbarth (CDU), plädierte gegen vorschnelle Maßnahmen des Gesetzgebers. Wünschenswert sei ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, sagte sie der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Sie sprach von einer "Sommerloch-Debatte".
(DPA)
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