News 11. 05. 2007

Lateinamerikas Bischöfe stellen die Weichen für die Zukunft

Am Sonntag eröffnete Papst Benedikt XVI. im brasilianischen Wallfahrtsort Aparecida die V. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM).

Rund 300 Delegierte aus mehr als 20 Ländern von den Antillen bis Argentinien, von Brasilien bis Peru (aber auch zahlreiche Bischöfe aus Nordamerika) versammeln sich in den Katakomben des riesigen Heiligtums, um "im Licht des Evangeliums" gemeinsam über den künftigen Weg der Kirche in Lateinamerika nachzudenken. "Globalisierung, zunehmende Gewalt und Armut", nennt der neue Erzbischof von Sao Paulo und beigeordnete Generalsekretär der CELAM-Versammlung, Odilo Scherer, als Kernthemen der dreiwöchigen Zusammenkunft. Neben neuen Herausforderungen sind einige der Probleme Dauerbrenner seit der ersten CELAM-Konferenz 1955 in Rio de Janeiro, die damals vom legendären Erzbischof Helder Camara organisiert wurde.

Die "Option für die Armen"

Armut und Benachteiligung waren schon bei den CELAM-Versammlungen im kolumbianischen Medellin 1968, im mexikanischen Puebla 1979 und auch in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik 1992 entscheidende Themen. Die "Option für die Armen" wurde mit der Konferenz von Medellin 1968 zum Maßstab kirchlichen Handelns. Das Treffen in der Santo Domingo 1992 war nicht so stark vom sozialen Akzent geprägt - und wäre zudem fast gescheitert. Das Schlussdokument stand auf der Kippe. Erst nach mehr als 5.000 Änderungsanträgen kam es zu Stande, nachdem die Konferenz stark - für viele wohl zu stark - von den Vertretern des Heiligen Stuhls geprägt worden war.

Einige Kurienkardinäle bleiben in Lateinamerika

Auch diesmal bleiben einige Kardinäle aus dem Vatikan bei den Verhandlungen, wenn der Papst längst wieder nach Rom zurückgekehrt ist. Etwa der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, oder der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Joseph Levada. Eine absolut übliche Präsenz, weil der Papst die Konferenz einberuft und deren Schlussdokument abnimmt, so der Vorsitzende der Brasilianischen Bischofskonferenz, Kardinal Geraldo M. Agnelo: "Es ist klar, dass wir ein Dokument schreiben und nicht der Papst". Benedikt XVI. sei der Konferenz nahe, lasse den Bischöfen aber viel Freiheit und verbiete nichts.

Theologe: Kirche muss auf den Boden, nicht in die Wolken schauen

Aparecida bleibt aus Sicht Kardinal Agnelos eine lateinamerikanische, keine römische Konferenz. Konfliktfrei ist das Treffen deswegen aber keineswegs. Vor allem Anhänger der Befreiungstheologie stehen der Konferenz eher kritisch gegenüber - und erwarten keine Wunder. "Aparecida müsste nur bestätigen, was schon gesagt wurde", gibt etwa der brasilianische Theologe Paulo Suess als Zielvorstellung aus. Er fordert bei aller Theologie, die gesellschaftliche Realität nicht zu vergessen und "nicht in die Wolken, sondern auf den Boden" zu schauen. "Aparecida", sagt er, "muss etwas mit den Menschen zu tun haben".

Die Befreiungstheologie und der "Fall Sobrino"

Die Diskussion um die Befreiungstheologie wurde in Lateinamerika in den letzten Wochen unter anderem durch die vor kurzem bekannt gewordenen Lehrbeanstandungen des Vatikans gegen den Befreiungstheologen Jon Sobrino neuentfacht. In einer Notifikation hatte die römische Glaubenskongregation erklärt, einige Thesen des 68-Jährigen Sobrino, der an der katholischen Zentralamerikanischen Universität in San Salvador lehrt, könnten bei den Gläubigen "großen Schaden" anrichten. Dem prominenten Befreiungstheologen Sobrino wird zur Last gelegt, dass er zu sehr den menschlichen Charakter von Jesus Christus hervorheben und dessen Göttlichkeit vernachlässigen würde. Papst Benedikt XVI. galt vor seiner Papstwahl als entschiedener Gegner der Befreiungstheologie. In seiner Funktion als Vorsitzender Glaubenskongregation hatte Joseph Ratzinger unter anderem großen Anteil an der Verurteilung des Befreiungstheologen Leonardo Boff in den 1980er Jahren gehabt.

Viele neue Gesichter

Mit nicht einmal 300 Teilnehmern zeigt die V. Generalkonferenz des Lateinamerikanischen Bischofsrates ein wesentlich strafferes Profil als die Vorgänger-Veranstaltung vor 15 Jahren in Santo Domingo. Die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder, Kardinäle und Bischöfe, wurde von 307 auf 161 verringert. Der Länderschlüssel wurde neu geregelt, und der Lateinamerikanische Bischofsrat verzichtete auf die Berufung der Vorsitzenden seiner verschiedenen Gremien. Das hat den Einfluss der nationalen Bischofskonferenzen trotz verkleinerter Zahl ihrer Repräsentanten gestärkt. Die Zahl der "Eingeladenen" (81) und "Beobachter" (8) wurde von 49 im Jahr 1992 auf 89 erhöht. Verringert wurde hingegen die Zahl der Experten von 20 auf 15. Die neuen geistlichen Bewegungen sind erstmals mit insgesamt sieben Vertretern in die Generalkonferenz berufen worden.

 

 

 

Überblick:

- Papst Benedikt XVI. in Brasilien

 

TV-Tipp:

- Orientierung, 13.05.2007:
Papst Benedikt XVI. auf „Missionsreise“
Brasilien: Pfingstkirchen im Vormarsch

 

Hintergrund:

- Aparecida - Brasiliens größter Wallfahrtsort 

 

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Webcast:

- Brasilien: Dichter, Mystiker, Rebell – Bischof Pedro Casaldaliga

 

 
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