News 28. 03. 2008

Flucht über den Himalaya - Der gefährliche Weg ins indische Exil

Tausende Tibeter fliehen jedes Jahr aus ihrer Heimat. Die gefährliche Flucht führt sie über die verschneiten Gipfel des Himalaya-Gebirges und vorbei an chinesischen Militärkontrollen. Ein Korrespondentenbericht von Elizabeth Roche/AFP.

Tenzin Choeden lacht über das ganze Gesicht. Die buddhistische Nonne hat es geschafft: Sie ist die bisweilen letzte Tibeterin, die seit Beginn der blutigen Unruhen in ihrer Heimat im Zentrum für tibetische Flüchtlinge nahe der indischen Grenze zu Nepal angekommen ist. "Ich danke dem Himmel dafür, dass ich Indien gesund und wohlbehalten erreicht habe", betet die 24-Jährige tief über ihr Gebetsbuch gebeugt. Denn die beschwerliche Reise ist gefährlich: Sie führt über die verschneiten Gipfel des Himalaya-Gebirges und vorbei an chinesischen Militärkontrollen. "Wir haben uns in einem Laster versteckt, eng aneinander gezwängt", berichtet Choeden von der Flucht aus ihrer Heimat. "Wir sind nur in der Nacht gefahren, damit uns die chinesischen Grenzsoldaten nicht entdecken. Es war fürchterlich kalt - die ganze Zeit hatte ich große Angst."

Jedes Jahr fliehen Tausende

Tausende Tibeter verlassen ihre Heimat, allein in Indien kommen jährlich 3.000 Flüchtlinge an. Der Grund für ihre Flucht ist die chinesische Herrschaft in Tibet. Der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, warf China in der Vergangenheit wiederholt "kulturellen Völkermord" vor. Die Wut über die chinesische Besatzung trug auch zur Eskalation der Proteste in der tibetischen Hauptstadt Lhasa am 14. März bei. Chinesische Sicherheitskräfte gingen hart gegen die Demonstranten vor. Nach tibetischen Angaben starben dabei etwa 140 Menschen, Peking spricht von 20 Toten.

Eine gefährliche Flucht

Viele der fliehenden Tibeter nehmen die gleiche Route wie Choeden, die mehr als drei Wochen unterwegs war. Erst bezahlen sie einen Schlepper, der sie für 850 Dollar (538 Euro) von Tibet nach Nepal bringt, dann nehmen sie einen weiteren Bus bis nach Indien. Nicht alle erreichen ihr Ziel. Während der ganzen Fahrt habe sie an ihre Landsleuten denken müssen, die von chinesischen Soldaten getötet wurden, als sie heimlich die Grenze zwischen Nepal und Tibet überqueren wollten. "Ich habe befürchtet, auf die gleiche Weise zu sterben." Im September 2006 filmten ausländische Bergsteiger, wie chinesische Soldaten auf eine Kolonne von 70 Tibetern schossen, die im Himalaya die Grenze nach Nepal überqueren wollten. Eine 25-jährige Nonne kam dabei ums Leben. Die chinesische Regierung behauptete anschließend, die Grenztruppe habe sich nur selbst verteidigt. Doch auch die Kälte auf den Gipfeln bedeutet eine Gefahr für die Flüchtlinge. "Wir hatten nichts außer ein bisschen Tee und etwas Gerste dabei", erinnert sich Thupten Choedak, der sich bereits vor zwei Jahren auf den beschwerlichen Weg nach Indien machte. "Als unser Proviant aufgebraucht war, haben wir uns drei Tage lang nur von Schnee und Eis ernährt." Zwei seiner Begleiter seien erfroren, ein dritter sei in einem Schneesturm verschwunden.

Rund 100.000 Tibeter leben in Dharamsala

Das Auffanglager für die Flüchtlinge befindet sich in Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung und des Dalai Lama. Rund 100.000 Landsleute leben hier mit dem Führer der Tibeter. Weil sie unter der chinesischen Besatzung ihre Religion nicht ausüben und ihre Kultur nicht frei leben dürfen, versuchen die Tibeter in Dharamsala durch die Pflege der religiösen und kulturellen Rituale ihre Identität zu bewahren. Dort will auch Choeden glücklich werden. Sie träumt davon, nahe beim Dalai Lama ihre religiöse Ausbildung in Freiheit zu beenden.

 

 

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Hintergrund:

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