News 09. 03. 2010

Georg Ratzinger bedauert Gewalt in "Domspatzen"-Schule

Der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger hat sich von Prügel-Praktiken in der Internatsvolksschule der Regensburger Domspatzen distanziert, die es dort offenbar bis Anfang der 1990er Jahre gab. Zugleich gab Ratzinger auch zu, selbst Schüler geohrfeigt zu haben.

Das Ausmaß der "brachialen Gewalt" in der Grundschule Etterzhausen, später Pielenhofen, unter der Leitung des damaligen Internatsdirektors Johann M. sei ihm nicht bekannt gewesen, sagte Ratzinger der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). "Wenn ich gewusst hätte, mit welch übertriebener Heftigkeit er vorging, dann hätte ich schon damals etwas gesagt", erklärte der Bruder von Papst Benedikt XVI. M. leitete die Volksschule der Domspatzen von 1953 bis 1992, Ratzinger war Domkapellmeister von 1964 bis 1994.

Ehemaliger Schüler: Der Direktor war ein Sadist

Ehemalige Schüler hatten in den vergangenen Tagen berichtet, der Vorschul-Internatsdirektor habe die Kinder teilweise "grün und blau" geschlagen. Ein ehemaliger Schüler von Pielenhofen, heute Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", beschreibt in der Dienstags-Ausgabe seines Blattes, wie M. Anfang der 1980er Jahre einmal auf dem Rücken eines achtjährigen Mitschülers einen Stuhl zertrümmert habe. Der Priester sei über das Fehlverhalten des Schülers als Ministrant bei der Frühmesse erbost gewesen. Einen anderen Schüler, der sich unter Bauchschmerzen gekrümmt habe, habe der Direktor als Simulanten abqualifiziert. Der Junge habe dann wegen eines Blinddarmdurchbruchs notoperiert werden müssen. Die Kinder hätten den Direktor als "Sadisten" empfunden.

"Würde diese Sache heute anders beurteilen"

Ratzinger räumte in dem Interview ein, einige seiner Sänger hätten ihm auf Konzertreisen erzählt, wie es ihnen in der Vorschule ergangen sei. Ihm sei bekannt gewesen, dass M. "sehr heftige Ohrfeigen" verteilt habe, teils auch aus nichtigen Anlässen. Die Berichte seien bei ihm aber "nicht so angekommen, dass ich glaubte, etwas unternehmen zu müssen". Außerdem sei seine Stellung damals nicht so gewesen, dass er allein etwas hätte ausrichten können. Heute würde er diese Sache anders beurteilen. Er bitte daher die Opfer um Verzeihung.

Ratzinger ohrfeigte Schüler

Der frühere Leiter der Domspatzen gab auch zu, selbst bis zum Ende der 1970er Jahre in den Chorproben wiederholt Ohrfeigen bei Verfehlungen oder Leistungsverweigerung erteilt zu haben. Eigentlich habe er dabei aber immer ein schlechtes Gewissen gehabt. "Ich war dann froh, als 1980 körperliche Züchtigungen vom Gesetzgeber ganz verboten wurden." An diese Maßgabe habe er sich "striktissime" gehalten.

Nicht nur die Kirche hat geschwiegen

M. sei vorzeitig in Pension gegangen, nachdem seine "rauen pädagogischen Methoden" von der Presse aufgegriffen worden seien. Nach dem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" änderten sich daraufhin die Erziehungsmethoden in Pielenhofen "schlagartig". Auf die Frage, warum in der Kirche so lange über diese Dinge geschwiegen worden sei, antwortete Ratzinger: "Ich glaube, es ist nicht nur die Kirche, die geschwiegen hat." In der ganzen Gesellschaft wollte "man diese Dinge, die man selber durchaus verurteilt hat, nicht breittreten".

 

 

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