News 18. 02. 2010

Scharfe Kritik an Bischof Mixa wegen Missbrauchskandal-Aussagen

Nach den Äußerungen des Augsburger Bischofs Walter Mixa zu den Ursachen von Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen schlägt dem Kirchenmann scharfe Kritik entgegen.

Die katholische Kirche müsse endlich das fortgesetzte "Vertuschen und Verschweigen" solcher Fälle beenden und klären, wie sie grundsätzlich darauf reagiere wolle, sagte Christian Weisner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", am Mittwoch.

Missbrauchsfälle schon vor 68er-Bewegung

Mixas Aussagen zur Rolle der sexuellen Aufklärung und der 68er-Generationen bei den jüngsten Skandalen um Übergriffe durch Priester und Ordensleute seien "sachlich falsch" und nur ein "Entlastungsangriff", der das eigentliche Problem nicht löse, fügte Weisner hinzu. Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche habe es auch vor der 68er-Bewegung gegeben, etwa in Irland. Auch müsse die Kirche sich endlich eingestehen, dass es sich um ein systematisches Problem handle. Skandale habe es auch schon in Australien und den USA gegeben. "Wir sehen nicht nur Einzelfälle, es ist wirklich überall", sagte Weisner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.

Verhöhnung der Opfer

In einem Zeitungsinterview hatte der für seine provokanten Thesen bekannte Bischof Mixa im Zusammenhang mit den Enthüllungen über den jahrelangen Missbrauch von Schülern an deutschen Jesuitenschulen mit bislang rund 100 bekannten Fällen gesagt, die "sogenannte sexuelle Revolution" sei an derartigen Entwicklungen "sicher nicht unschuldig". Ihm war daraufhin Kritik entgegengeschlagen; Grünen-Chefin Claudia Roth hatte die Äußerungen als "haarsträubend" und als eine "beispiellose Verhöhnung der Opfer sexuellen Missbrauchs" bezeichnet.

„Realitätssinn fehlt“

Auf heftige Ablehnung stießen Mixas Äußerungen auch beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Deren Vizepräsidentin Karin Kortmann warf ihm in der "Frankfurter Rundschau" (Donnerstagsausgabe) vor, ihm fehle anscheinend der "Realitätssinn". Sie frage sich, ob die Würdenträger der Kirche das Problem der sexuellen Gewalt "überhaupt verstanden haben".

Päpstliche Entschuldigung  gefordert

Die Grünen forderten eine Erklärung von Papst Benedikt XVI. zu den Vorfällen an deutschen Jesuitenschulen, nachdem sich dieser zu den Missbrauchsfällen in Irland geäußert hatte. "Die weltweiten Skandale haben etwas Systematisches an sich", sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck dem "Tagesspiegel" vom Mittwoch. "Überfällig" sei zudem eine Entschuldigung für die Vorfälle. Die Thesen von Mixa nannte er "historisch absurd".

Kirchliches Versteckspiel

Der als Sexualaufklärer bekannt gewordene Oswalt Kolle warf Mixa Unverschämtheit vor. "Diese Verbrecher, diese Amtsbrüder von Mixa, haben Hunderte von Jugendlichen missbraucht und jetzt wird das Millionen von Menschen in die Schuhe geschoben", sagte der durch Bücher und Filme in den 60er Jahren berühmt gewordene Autor dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstagausgabe). Die Kirche solle ihr "Versteckspiel" endlich beenden.

Werte unberührt

Schüler und ehemalige Absolventen des ebenfalls von dem Missbrauchsskandal betroffenen Aloisiuskollegs in Bonn meldeten sich unterdessen mit einem offenen Brief zu Wort, in dem sie der Schule und dem Jesuitenorden demonstrativ den Rücken stärkten. Sie hätten die Entwicklung zwar mit "Fassungslosigkeit und Bestürzung" verfolgt und begrüßten die Bemühungen um Aufklärung, schrieben sie darin. Die "Werte und Erziehungsideale" des Kollegs bliebe für sie allerdings unberührt.

Grundsätzliche Fehlentwicklungen

Das Pastoralschreiben von Papst Benedikt XVI zum Thema Kindesmissbrauch durch Priester, das bald veröffentlicht werden soll, wird sich mit grundsätzlichen Fehlentwicklungen in der heutigen Kirche auseinandersetzen. Das berichtet "Kathpress" in Berufung auf englischsprachige Medien vom Mittwoch. Laut dem dort zitierten Bischof Michael Smith (Diözese Meath) will der Papst etwa das zentrale Kriterium des "makellosen persönlichen moralischen Verhaltens des Priesters" betonen.

 

 

 

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