News 21. 03. 2010

Irische Missbrauchsopfer enttäuscht von Hirtenbrief des Papstes

Opfer des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche Irlands haben enttäuscht auf den Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. reagiert. Das Schreiben werde den Erwartungen der Opfer "bei weitem" nicht gerecht, erklärten Opferverbände am Samstag.

Der Papst warf der irischen Kirche "schwere Fehler" beim Umgang mit dem Missbrauchsskandal vor, ging aber nicht auf die Missbrauchsfälle in Deutschland und anderen Ländern ein.

Vieles unbeantwortet

Der Hirtenbrief lasse viele Fragen unbeantwortet, kritisierten die irischen Opferverbände. Der Verbande One in Four bedauerte das Fehlen einer Entschuldigung für die "niederträchtige" Weise, in der Missbrauchsopfer zurückgewiesen oder zum Schweigen gebracht worden seien, wenn diese versucht hätten, sich über ihre Behandlung durch Kirchenverantwortliche zu beschweren. Dies sei "äußerst schmerzlich", sagte die Geschäftsführerin von One in Four, Maeve Lewis. Der Papst habe eine "hervorragende Gelegenheit" verpasst, die "vorsätzliche Politik" anzusprechen, mit der "die Katholische Kirche auf den höchsten Ebenen Sexualstraftäter geschützt und dadurch Kinder gefährdet" habe. John Kelly vom Opferverband SOCA sagte, die zentrale Frage sei, ob den Opfern nach den Äußerungen des Papstes nun Gerechtigkeit widerfahren werde.

"Wir sind Kirche"-Deutschland enttäuscht

Auch die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" in Deutschland zeigte sich enttäuscht über den Inhalt des Hirtenbriefs. Mit keinem Wort habe der Papst darin die deutschen Opfer erwähnt, sagte der Sprecher der Reformbewegung, Christian Weisner. Da sich das Schreiben nur an die irischen Katholiken wende, entstehe der Eindruck, als sei der Missbrauch von Kindern durch Priester nur ein Problem in Irland. Vielmehr sei dies aber ein globales Problem, auf das eine globale Antwort gefunden werden müsse.

Kritik aus den USA

Missbrauchsopfer in den USA übten ebenfalls Kritik an den Hirtenbrief. "Der Papst bietet Worte an, wenn so dringend Taten gebraucht werden", erklärte das Netzwerk der vom Missbrauch durch Priester betroffenen Opfer (SNAP). Eine Häufung von Missbrauchsskandalen hatte die US-Kirche vor knapp zehn Jahren in ihre tiefste Krise geführt.

Papst: Fehler der irischen Kirche

Papst Benedikt XVI. warf der katholischen Kirche in Irland "schwere Fehler" beim Umgang mit dem Missbrauchsskandal vor. Er forderte die Schuldigen auf, sich für ihre Vergehen nicht nur "vor Gott", sondern auch vor ordentlichen Gerichten zu verantworten. In dem Hirtenbrief, der sich an die Gläubigen in Irland richtet und dort in den Gottesdiensten verlesen werden sollte, zeigte sich der Papst "sehr beunruhigt" über den Skandal. Er teile "die Bestürzung und das Gefühl des Vertrauensbruchs" vieler Iren angesichts der "sündhaften und kriminellen Taten" und der "oftmals unangemessenen Reaktion" der Kirchenführung.

Visitation

Um den irischen Gemeinden auf ihrem "Weg der Erneuerung" zu helfen, kündigte Papst Benedikt XVI. in dem Hirtenbrief auch eine Reise durch die betroffenen Diözesen an. Die Katholische Kirche in Irland begrüßte den Hirtenbrief hingegen und erklärte, er mache den Weg frei für eine "Zeit der Wiedergeburt".

14.500 Opfer in Irland

In Irland hatten katholische Würdenträger laut einem im Auftrag der Regierung erstellten Untersuchungsbericht jahrzehntelang Vergewaltigungen und Misshandlungen von Minderjährigen durch Geistliche vertuscht. Insgesamt ist von 14.500 Opfern die Rede.

 

Link:

- Diözesane Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der röm.-kath. Kirche

 

ORF TVthek:

- Missbrauchsfälle - Täglich neue Enthüllungen

 

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