News 25. 03. 2010

Missbrauch: Kapellari für lückenlose Aufklärung nach klaren Regeln

Für eine lückenlose Aufklärung aller Missbrauchsfälle, die allerdings nach klaren Regeln geschehen müsse, hat sich einmal mehr der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari ausgesprochen.

In einem Interview für die aktuelle Ausgabe des steirischen "Sonntagsblattes" zeigte Kapellari Verständnis für den Vorwurf, dass die Kirche in der Vergangenheit Missbrauchsfälle bagatellisiert oder vertuscht habe. Kapellari: "Dem müssen wir uns auch so stellen, dass wir frühere Entscheidungen nochmals in den Blick nehmen, und zwar durch dafür kompetente und autorisierte Kommissionen."

Opferschutz

Opferschutz müsse gegenüber Täterschutz Vorrang haben, und Gefährdung durch Missbrauch müsse nach allen Möglichkeiten vermieden werden. Eine vorübergehende oder endgültige Dienstfreistellung von Priestern und anderen Verantwortlichen sei in diesem Zusammenhang geboten, hielt Kapellari fest. Es dürfe aber keine Willkür geben, sondern es brauche Regeln, die noch verbessert werden sollten. Von manchen Pfarren werde auch bereits eine "Kultur des Verzeihens" eingemahnt, sagte der Bischof. Das dürfe aber nicht auf Kosten von Opfern geschehen.

Reform bei Priesterausbildung

Kapellari räumte Defizite bei Auswahl und Ausbildung von Priestern und Ordensangehörigen ein. Hier müsse man sich "redlich um Reform bemühen", so der Bischof und weiter wörtlich: "Die meisten bekannten Probleme reichen 20 bis 50 Jahre zurück. Seither hat es in der Kirche und der ganzen Zivilgesellschaft viele Verbesserungen gegeben."

Missbrauch auch in Familien

Der steirische Bischof wies auch darauf hin, dass das Phänomen des sexuellen Missbrauchs mehr und mehr auch nichtkirchliche Einrichtungen und Gemeinschaften betreffe. Kapellari: "Kirchlicherseits dürfen wir uns nicht durch Hinzeigen auf solche großen Probleme anderer entlasten wollen. Die Gesellschaft wird sich freilich den Blick auf dieses Ganze nicht ersparen können. Man denke an den Missbrauch in Familien und in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Milieus." Die Kirche habe aber sehr anspruchsvolle Prinzipien und müsse sich daran messen lassen.

Verantwortungsvoller Diskurs

Angesprochen auf Vorwürfe, dass etwa der Pflichtzölibat oder eine weltfremde Sicht von Sexualität zwangsläufig auch andere Fehlentwicklungen begünstigen, zeigte der Bischof Verständnis dafür, dass man die sogenannten "Heißen Eisen" nun mit den Missbrauchsfällen in Verbindung bringen wolle. "Wer sich das aber zu leicht macht, der fördert eher Verkrampfungen und behindert das Aufkommen eines vielseitigen niveau- und verantwortungsvollen Diskurses im Geist des Evangeliums und eine echte Kirchenreform", so Kapellari wörtlich: "Der großen Frage, wie wir als Kirche mit dem Thema Sexualität hilfreicher umgehen können, dürfen wir nicht ausweichen. Sie bleibt ein Dauerauftrag.

Fehler gemeinsam überwinden

Zum jüngsten Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. stellte Bischof Kapellari einmal mehr klar, dass dieser zwar an die Katholiken in Irland gerichtet sei, der Papst damit aber natürlich auch alle anderen betroffenen Länder meine. "Es wäre fair, diese Tatsache nicht immer wieder zu verdrängen", so der Bischof wörtlich. Eindringlich appellierte Kapellari an alle Priester, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Kirche, in der gegenwärtigen schwierigen Situation "zusammenzustehen und im Blick auf Jesus Christus sich Mut geben zu lassen, damit Fehler gemeinsam überwunden und das weithin nicht zutreffende negative Bild unserer Kirche anhand von Tatsachen wieder korrigiert werden kann".

Vertrauen muss neu verdient werden

Auf die katholischen Schulen angesprochen unterstrich der Bischof, dass deren Ziel eine gesamtmenschlichen Bildung sei, "beseelt durch christliche Spiritualität". Und das sei auch weiterhin sehr attraktiv. Kapellari: "Fehler in der Vergangenheit, die zu Recht empören und traurig machen, gibt es heute in katholischen Schulen und Internaten wohl kaum noch. Das Vertrauen in die hohen moralischen Maßstäbe dieser Einrichtungen ist sehr groß, muss aber immer wieder neu verdient werden."

Religionsunterricht

Auch der katholische Religionsunterricht habe in der Steiermark eine ungemein hohe Akzeptanz, betonte Kapellari: 85,25 Prozent aller Schüler besuchen den Religionsunterricht, bei den katholischen Schülern seiend es gar 97,14 Prozent. Die multikulturelle Situation in Grazer Pflichtschulen sei für ihn kein Grund, katholischen oder muslimischen Schülern das reduzierte Programm eines Ethikunterrichts zu bieten. Ein solcher Ethikunterricht könne auch im besten Fall für die Ausprägung einer je eigenen kulturellen Identität, verbunden mit Toleranz und Bekenntnis zu gemeinsamen Werten der Gesellschaft, viel weniger beitragen als ein Religionsunterricht, "der Toleranz und auch Kenntnis anderer Religionen und Weltanschauungen, wie schon jetzt gegeben, vermittelt".

 

 

 

Link:

- Diözesane Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der röm.-kath. Kirche

 

ORF TVthek:

- Missbrauchsfälle - Täglich neue Enthüllungen

 

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