News 17. 03. 2010

Missbrauch: Vorarlberger Kriminalpolizei ermittelt auf Hochtouren

Nachdem sich seit vergangenem Freitag 16 Opfer gemeldet haben, die offenbar in kirchlichen Einrichtungen missbraucht worden sind, ermittelt das Vorarlberger Landeskriminalamt auf Hochtouren.

Man gehe jedem einzelnen Fall nach, betonte Stefan Schlosser vom Landeskriminalamt am Mittwoch gegenüber der APA. Es sei nicht auszuschließen, dass es bei den Vorwürfen auch Überschneidungen mit bereits bekannten Fällen gebe, sagte Schlosser. Die Anschuldigungen würden aber nicht allesamt das Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau betreffen, sondern auch andere kirchliche Institutionen.

Entschuldigung und Aufklärung

Am vergangenen Freitag hatten Anselm van der Linde, Abt des Klosters Mehrerau, sowie Generalvikar Benno Elbs von der Diözese Feldkirch in einer Presse-konferenz das Recht der Missbrauchten auf eine Entschuldigung und eine kompromisslose Aufklärung betont. Das hat offenbar tatsächlich mehrere Opfer aus den vergangenen Jahrzehnten ermutigt, sich zu melden. "Es sind durchwegs Fälle von früher, ein aktueller Vorwurf war bisher nicht dabei", so Schlosser.

Schwerste sexuelle Übergriffe

Während der Kriminalist keine Details zu den einzelnen Fällen bekanntgeben wollte, berichtete ORF Radio Vorarlberg im Zusammenhang mit den 16 Opfern von schwersten sexuellen Übergriffen und von brutalen Quälereien, die sich im Kloster Mehrerau ereignet hätten. Es gebe in sieben Fällen konkrete Verdachtsmomente. Die Taten hätten nicht nur Ordenszugehörige begangen, sondern auch Lehrer, Erzieher und Seminarteilnehmer.

Betrunken gemacht und missbraucht

So soll laut ORF Radio Vorarlberg ein Pater vor rund 20 Jahren an Internats-Schülern der Mehrerau schwerste Sexualdelikte begangen haben. In einem Fall habe ein Seminargast einen Jugendlichen betrunken gemacht und ihn anschließend ebenfalls schwer sexuell missbraucht. Weiters habe ein Erzieher drei Internatsschülern Drogen schmackhaft gemacht, ihnen Pornofilme vorgeführt und sexuelle Handlungen gesetzt. Ein anderer Pater, der sich in den 1970er-Jahren angeblich an Heranwachsenden im Kloster Mehrerau vergangen hat und dann versetzt wurde, habe sich mittlerweile bei der Polizei gemeldet, weil er ein Geständnis ablegen wolle.

Rauswurf oder Suspendierung

Van der Linde erklärte in einer Aussendung am Mittwoch erneut sein Bedauern und betonte, dass es sich um keine aktuellen Geschehnisse handle. "Jene Menschen, die sich nun gemeldet haben, sind Betroffene aus strafrechtlich abgeschlossenen oder verjährten Verfahren", sagte Van der Linde. Man werde die Vorwürfe auch klosterintern prüfen. "Wenn das Vergehen feststeht, kann es zum Rauswurf aus dem Orden kommen beziehungsweise zur lebenslangen Suspendierung vom Priestertum", sagte Van der Linde im ORF-Interview.

Erhebungen

Laut Schlosser sind die Erhebungen noch nicht so weit fortgeschritten, dass man die Staatsanwaltschaft hätte damit befassen können. "Wenn sich ein Verdacht erhärtet, wird dies aber natürlich geschehen", so der Kriminalbeamte.

Bisher 11 Fälle in Vorarlberg

Bisher sind in Vorarlberg elf Missbrauchs-fälle offiziell bekanntgeworden. Im Internat des Klosters Mehrerau soll sich ein Pater zwischen 1970 und 1982 an mindestens zehn Heranwachsenden vergangen haben. In der Vorwoche meldete sich außerdem eine Person, deren Missbrauch nicht das Kloster Mehrerau betraf.

 

Link:

- Diözesane Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der röm.-kath. Kirche

 

ORF TVthek:

- Missbrauchsfälle - Täglich neue Enthüllungen

 

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