News 19. 06. 2012

„Vatileaks”: Ermittelnde Kardinäle haben 23 Personen vernommen

Die von Papst Benedikt XVI. zur Untersuchung der „Vatileaks”-Affäre eingesetzte Kardinalskommission hat bislang 23 Personen vernommen. Unter den Befragten seien der vor vier Wochen verhaftete päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele sowie leitende Mitarbeiter des Vatikan, sagte dessen Sprecher Federico Lombardi am Montag. Medienberichte, die Kardinalskommission habe dem Papst am Samstag während einer Audienz Namen von Hintermännern und Komplizen Gabrieles genannt, wies der Vatikansprecher zurück.

Weder das vatikanische Gericht noch die Kardinalskommission hätten Informationen über Hintermänner oder Komplizen weitergegeben. Entsprechende Medienberichte seien eine „hypothetische Konstruktion ohne Fundament”. Lombardi betonte, eine Befragung durch die Kommission sei kein Hinweis auf einen Verdacht. Er weigerte sich zudem, Angaben zu bestätigen, wonach Gabriele die Namen mutmaßlicher Quellen in der Affäre genannt hat. In den vergangenen Monaten waren immer wieder interne Dokumente des Vatikans an italienische Medien weitergegeben worden, in denen es unter anderem um Korruption, Geldwäsche und Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche ging.

Bis zu sechs Jahre Haft

Gabriele steht im Verdacht, eine der undichten Stellen im Kirchenstaat zu sein. Wegen schweren Diebstahls droht ihm eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren. Medien hatten zudem berichtet, mindestens zwei Kardinäle könnten ebenfalls verwickelt seien. Mit der Weitergabe der Papiere soll offenbar Druck auf Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone ausgeübt werden. Die Nummer zwei im Kirchenstaat nach dem Papst steht wegen der Führung der Kirchenverwaltung seit langem in der Kritik.

Bertone: „Journalisten erfinden Fabeln”

In dem Interview mit „Famiglia Cristiana” sagte Bertone, er stehe im Zentrum dieser „schmerzhaften Affäre”. Zugleich beklagte er Versuche, „Uneinigkeit zwischen dem Heiligen Stuhl und seinen Mitarbeitern zu schaffen”. Journalisten warf er vor, sie würden „Fabeln erfinden” und „Dan Brown spielen”. Brown ist der Autor des Bestsellers „Sakrileg”, in dem es um fiktive Intrigen im Vatikan geht.

Bertone sieht Vorgehen gegen Pädophilie als Grund

Bertone hat die Veröffentlichung von an den Papst adressierten Briefen als unmoralisch und schwerwiegend kritisiert. Dadurch sei das in der italienischen Verfassung festgeschriebene Recht auf das Briefgeheimnis verletzt worden, sagte Bertone im Interview mit der italienischen Wochenzeitschrift „Famiglia Cristiana”. Dahinter stünden seiner Ansicht nach Versuche, die Kirche zu destabilisieren. Das Bemühen des Papstes um „Klärung und Reinigung” innerhalb der Kirche „war und ist” manchem offenkundig unangenehm, betonte der „zweite Mann” im Vatikan. Beispielsweise hätte Benedikts XVI. Vorgehen gegen Pädophilie im Klerus gezeigt, dass die Kirche sich selbst erneuern könne, wie es andere Institutionen nicht könnten. Sie sei ein „Fels im Sturm”, die man ihrer Stabilität berauben wolle.

„Wie ein Sohn geliebt”

Als das „schmerzlichste Ereignis” in der „Vatileaks”-Affäre bezeichnete Bertone den Vertrauensbruch durch den Kammerdiener Benedikts XVI. „Der Papst hat sichtlich erschüttert nach einer Erklärung über die Gründe der Tat von Paolo Gabriele gefragt, der von ihm wie ein Sohn geliebt wurde”. Behauptungen, nach denen es im Vatikan Intrigen und Kämpfe geben solle, wies Bertone als „Spiele von Journalisten”, die den US-Bestsellerautor Dan Brown nachahmen wollten, zurück: „Ich persönlich kenne keine Anzeichen einer Beteiligung von Kardinälen oder von Kämpfen zwischen Geistlichen zur Eroberung einer imaginären Macht”.

Bertone: „Falsche Darstellung durch Medien”

Im Staatsekretariat herrsche ein „außergewöhnliches Klima von Gemeinschaft”, das im Gegensatz zur Darstellung der Massenmedien stehe. Natürlich gebe es unterschiedliche Meinungen, wenn bei Zusammenkünften im Vatikan diskutiert werde. Die „Dialektik der Konfrontation” sei jedoch eine Tradition der Kirche, die bis auf die Zeit der ersten Apostel zurückreiche.

Vatikanbank „Institut für die religiösen Werke”

Bertone betont in dem Interview, dass die Entlassung von Ettore Gotti Tedeschi als Chef der Vatikanbank IOR nichts mit „internen Zweifeln an dem Willen zur Transparenz” zu tun habe. Der Grund für die Entlassung Ende Mai sei eine „Verschlechterung der Beziehungen im Aufsichtsrat” aufgrund von Meinungsverschiedenheiten gewesen. Der Kardinalstaatsekretär verteidigte das „Institut für die religiösen Werke” als Institution, die es der Kirche erlaube, auch in schwierigen Situationen zu helfen. Er sprach den Verantwortlichen des IOR sein „volles Vertrauen” aus.

Unzureichende Anti-Geldwäsche-Standards

Der Vatikan hat einen Medienbericht über angebliche Mängel seiner Vorkehrungen gegen Geldwäsche zurückgewiesen. Die italienische Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano” hatte am Sonntag berichtet, der Vatikan erfülle acht von insgesamt 16 grundlegenden Kriterien für die Einhaltung internationaler Anti-Geldwäsche-Standards nicht oder nur unzureichend. Diese Darstellung sei in mehrfacher Hinsicht „inkorrekt”, sagte Lombardi. Die Zeitung hatte zudem gemutmaßt, der Vatikan laufe nach diesem Befund Gefahr, die Aufnahme in die sogenannte „Weiße Liste” vertrauenswürdiger Länder zu verfehlen.

Aufnahme in „Weiße Liste” gefährdet

„Il Fatto Quotidiano” beruft sich in seinem Bericht auf den vorläufigen Prüfungsbericht der Fachleute des Europaratsausschusses Moneyval zur Bekämpfung von Geldwäsche, die im März die Vorkehrungen gegen Geldwäsche im Vatikan begutachtet haben. Über den Bericht soll auf der Vollversammlung von Moneyval abschließend beraten werden, die vom 2. bis 6. Juli in Straßburg tagt. Eine positive Beurteilung durch Moneyval und eine Aufnahme in die sogenannte „Weiße Liste” der OECD für Länder, die internationale Anti-Geldwäsche-Standards erfüllen, würden der Vatikanbank IOR die Zusammenarbeit mit anderen Geldinstituten erheblich erleichtern.

 

(KAP/APA)

 

 

 

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