Deutsche Rabbinerin: Bei Beschneidung geht es um jüdische Existenz
Die erste nach dem Holocaust in Deutschland geborene und ausgebildete Rabbinerin Antje Yael Deusel erklärt, ein Beschneidungsverbot „wäre so, wie wenn Sie Christen die Taufe verbieten wollten“.
Bei einem Beschneidungsverbot hätte das Judentum in Deutschland nach Auskunft der Bamberger Rabbinerin und Kinderurologin Antje Yael Deusel keine Zukunft. Sollte das Urteil des Kölner Landgerichts höchstrichterlich bestätigt werden, „müssen wir leider auswandern“, sagte Deusel am Sonntag in einem Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur KNA.
„Unveräußerliches Gebot“
Die rituelle Beschneidung von Jungen am achten Tag nach ihrer Geburt zählt laut Deusel „zu den wenigen absoluten und unveräußerlichen Geboten“ des Judentums. „Das wäre so, wie wenn Sie Christen die Taufe verbieten wollten.“ Das Kölner Urteil verwehre männlichen jüdischen Kindern das „Recht, in eine Religion hineinzuwachsen“.
Deusel: „Beschneidung im Jugendalter wäre grausam“
Die vom Gericht vorgeschlagene Alternative, die Beschneidung erst an älteren, einwilligungsfähigen Kindern vorzunehmen, lehnt die Rabbinerin ab. „Das wäre grausam“, sagte die Oberärztin des Bamberger Klinikums. „Jugendliche kriegen das im Unterschied zu Kleinkindern voll mit und haben dann Angst.“ Bei Säuglingen heile die Wunde in drei bis vier Tagen, bei Erwachsenen dauere es zwei Wochen und länger. Weil der Eingriff unter Narkose erfolge, gehe es nicht um Schmerzen, wohl aber um „das ganze Drumherum und die psychische Belastung“.
Fehlende Rechtssicherheit
Deusel sagte, sie selbst nehme derzeit „aus zeitlichen Gründen“ keine Beschneidungen vor. „Aber ich würde schon erst einmal abwarten, bis Rechtssicherheit da ist.“ Dies könne jedoch „sehr lange dauern“. Deshalb sei es gerade „richtig schwierig“, jüdische Eltern zu beraten. „Denn es geht um die Grundlage unserer Religion, die Aufnahme als vollwertiges Mitglied in den jüdischen Bund mit dem Ewigen.“ Die Juden hätten die Beschneidung auch in schlimmsten Zeiten der Verfolgung aufrechterhalten, etwa in der Sowjetunion.
Deuael: Rufe nach Anpassung „gedankenlos“
Deusel sagte, sie wolle sich auch künftig nicht rechtfertigen müssen, dass sie jüdisch sei und lebe. Sie begegne jedoch oft „einer gewissen Gedankenlosigkeit, die sich dann in so Sätzen ausdrückt wie: Wer bei uns lebt, soll sich halt anpassen.“ In Deutschland liefen inzwischen „die jüngsten Mädels“ mit Piercings und Tattoos herum. „Und die Kinder sind nicht immer schon so alt, dass man sagen könnte, sie seien gefestigt genug, um den Rest ihres Lebens mit einem flammenden Herzen auf der Haut zu verbringen. Aber es ist schick.“
(KAP)
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