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News 30. 11. 2009 |
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Schweiz verbietet Bau von MinarettenIn der Schweiz wird der Bau neuer Minarette verboten. Dafür hat sich am Sonntag bei einer Volksabstimmung eine überraschend klare Mehrheit von 57,5 Prozent ausgesprochen. Europaweit löste das Ergebnis der Volksabstimmung überwiegend Bestürzung aus. Auch zahlreiche Religionsvertreter kritisierten das Minarett-Verbot.Die von den Gegnern als verfassungs- und völkerrechtswidrig eingestufte Vorlage wurde bei der Volksabstimmung am Sonntag mit 57,5 Prozent der Stimmen angenommen. Es wurde auch die erforderliche Mehrheit der 26 Kantone erreicht. Umfragen hatten noch Mitte November eine deutliche Mehrheit für die Gegner der Initiative gezeigt. Initiatoren warnten vor einer "Islamisierung"Die Initiatoren um die Schweizerische Volkspartei (SVP) hatten auf Plakaten vor einer "schleichenden Islamisierung" der Schweiz gewarnt. Minarette wurden als Symbol eines islamischen Machtanspruchs gewertet. Die Regierung in Bern hatte sich zusammen mit der großen Mehrheit des Parlaments, den Kirchen und Wirtschaftsverbänden gegen den Vorstoß gewandt. Es wurde ein Imageschaden für die bisher als weltoffen und tolerant geltende Schweiz befürchtet, von deren 7,5 Millionen Einwohnern rund 400.000 Muslime sind. Politikwissenschafter: "Diffuses Tabu-Thema"SVP-Chef Toni Brunner sagte in einer ersten Reaktion gegenüber der APA, bei der Volksabstimmung sei es nicht nur um das "pure Verbot" von Minaretten gegangen. "Wir wollen in der Schweiz keine Parallelgesellschaft: Wer von außerhalb kommt, muss sich an unsere Regeln halten", sagte er. "Sehr beeindruckt" vom Votum zeigte sich auch die treibende Kraft hinter der Initiative, SVP-Mandatar Ulrich Schlüer. "Jetzt kann niemand mehr in diesem Land sagen, dass er noch nicht gemerkt hat, dass die Islamisierung ein Problem ist", sagte er am Sonntagabend gegenüber der APA. Der Politologe Werner Seitz sagte, die politischen Eliten hätten die Stimmung in der Bevölkerung falsch eingeschätzt. Bei der Abstimmung sei es nämlich nicht nur um Minarette gegangen, sondern auch um das "diffuse Tabu-Thema" Verhältnis zum Islam an sich. Justizministerin: Keine Absage an die MuslimeDie unterlegenen Gegner der Initiative bemühten sich indes um Schadensbegrenzung. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte, dass das Votum keine Absage an die Muslime sei, sondern Ausdruck vorhandener Ängste vor islamistisch-fundamentalistischen Strömungen. Die sozialdemokratische Parlamentarierin Bea Heim sagte, dass die Initiative "einen ganz sensiblen Nerv in der Bevölkerung, das Unbehagen, getroffen" habe. Auch die Angst vor einem Jobverlust habe hineingespielt. Der Vorsitzende der Grünen, Ueli Leuenberger, bezeichnete das Resultat als "Faustschlag mitten ins Gesicht der Muslime" und stellte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in Aussicht. Imam ruft zur Ruhe aufDer Imam der größten Moschee in der Schweiz Youssef Ibram rief die Muslime nach der umstrittenen Abstimmung zur Zurückhaltung auf. Er wolle eine "Botschaft der Ruhe" senden, sagte Youssef Ibram am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Die muslimische Welt müsse die Entscheidung zwar nicht akzeptieren, wohl aber respektieren, sagte der Imam der Moschee in Genf, die im Vorfeld der Volksabstimmung mehrmals beschädigt wurde. "Andernfalls würden wir die ersten Opfer werden." Ibram übte zugleich Kritik an der Schweizer Regierung. Diese hätte von Anfang an verhindern müssen, dass über die Anti-Minarett-Initiative zweier rechtspopulistischer Parteien abgestimmt werde, sagte er. Die Initiative habe gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen zur Garantie der Religionsfreiheit verstoßen, sagte Ibram. Muslime werden sich weniger akzeptiert fühlenDie Föderation Islamischer Verbände in der Schweiz (FIDS) und die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) warfen den Initiatoren der Volksabstimmung in einer gemeinsamen Erklärung vor, es sei nicht in erster Linie um Minarette gegangen. Sie äußerten sich zugleich dankbar dafür, dass die Regierung, das Parlament, die meisten Parteien und die "Schwesterreligionen Judentum und Christentum" sich für das Grundrecht der Religionsfreiheit und den Schutz der Minderheiten eingesetzt hätten. Die Auswirkungen auf die islamische Gemeinde in der Schweiz fasste KIOS-Präsident Farhad Afshar so zusammen: "Die Muslime, die sich integriert haben, friedlich leben und ihre Religion praktizieren wollen, werden sich weniger akzeptiert fühlen." Doch das Ja zum Minarett-Verbot sei ein demokratisches Plebiszit, "daher werden wir es auch akzeptieren." Rat der Religionen: Ein Zeichen der VerunsicherungNach Ansicht des Schweizerischen Rats der Religionen (SCR) zeigt die Annahme der Anti-Minarettinitiative eine verbreitete Verunsicherung in der Bevölkerung. Die Bemühungen im Bereich der Integration müssten auf allen Seiten verstärkt werden. Der SCR will sich deshalb für konkrete Maßnahmen einsetzen. Katholische Bischofskonferenz: Ein Hindernis auf dem Weg der IntegrationDie Schweizer Bischofskonferenz (SBK) zeigte sich über die Annahme des Verbots besorgt. Die Entscheidung ist nach Ansicht der Bischöfe "ein Hindernis und eine grosse Herausforderung" auf dem gemeinsamen Weg der Integration "im Dialog und in gegenseitigem Respekt". Es sei offensichtlich nicht genügend gelungen, den Bürgern vor Augen zu führen, dass das Bauverbot für Minarette "das gute Zusammenleben der Religionen nicht fördert, sondern diesem schadet". Der Abstimmungswahlkampf mit seinen Übertreibungen und Verzeichnungen hat vor Augen geführt, dass der Religionsfriede "keine Selbstverständlichkeit ist und immer wieder neu errungen werden muss". Evangelischer Kirchenbund: Verbot schafft neue ProblemeDas Minarett-Verbot werde keine Probleme lösen, sondern neue schaffen, befürchtet der Schweizerische Evangelische Kirchenbund. Es werde den gesellschaftlichen Zusammenhalt belasten und die Integration der Muslime erschweren. Religiöse Minderheiten müssten künftig mit Ungleichbehandlung rechnen. Amnesty International: Im Widerspruch zur MenschenrechtskonventionBestürzt reagierte die Menschrechtsorganisation Amnesty International (AI) auf das Ergebnis der Volksabstimmung. Ein vollständiges Minarett-Bauverbot stelle eine Verletzung der Religionsfreiheit dar und sei unvereinbar mit den Konventionen, die die Schweiz unterzeichnet habe, hieß es am Sonntag vonseiten der Menschenrechtsorganisation. Daniel Bolomey, Generalsekretär der Schweizer AI-Sektion, zeigte sich schockiert. "Der Bundesrat (Regierung) und das Parlament sind ein grosses Risiko eingegangen, als sie die Initiative nicht für ungültig erklärt haben", wird Bolomey in einer AI-Mitteilung zitiert. Der Bundesrat und das Parlament müssten nun die Konsequenzen für eine Entscheidung tragen, die im Widerspruch zu den Vereinbarungen stehe, die die Schweiz unterzeichnet habe.
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Hintergrund:- 30. 11. 2009: Bisher vier Minarette in der Schweiz - 30. 11. 2009: Drei Minarette in Österreich
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