News 25. 03. 2010

Missbrauch: Opferanwältin Plaz kritisiert "Nichtstun der Politik"

Im Zusammenhang mit den zahlreichen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche stößt sich die renommierte Wiener Opferanwältin Eva Plaz am "Nichtstun der Politik".

"Das ist verantwortungslos und eröffnet die Gefahr, dass die Opfer kirchlicher Gewalt in die Hände von privaten Keilern und Geschäftemachern fallen", gibt die Juristin im Gespräch mit der APA zu bedenken. Plaz verlangt, dass die publik gewordenen Fälle der Zuständigkeit der kirchlichen Ombudsstellen entzogen werden. Stattdessen sollten sich die bewährten Opferhilfeeinrichtungen und Prozessbegleitungsstellen um die Betroffenen kümmern.

Hilfsstellen unterdotiert

"Gerade diese Einrichtungen werden derzeit von der Politik in finanzieller Hinsicht unterdotiert", bedauert Plaz. Dabei stünde außer Frage, dass diese Institutionen am Besten beurteilen können, was die Betroffenen benötigen und wirklich wollen: "Manche wollen einfach nur reden. Andere sind auch bereit, in einem Strafverfahren auszusagen. Sie haben teilweise das Gefühl, sich durch ihr Schweigen mitschuldig zu machen." Folglich sei es von entscheidender Bedeutung, dass die früheren Opfer nun nicht neuerlich benutzt, sondern professionell und sorgsam betreut und unterstützt werden: "Das kann nur funktionieren, wenn man den entsprechenden Stellen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt."

Opferschutzstellen

Plaz schlägt vor, dass sämtliche Hinweise auf Übergriffe in kirchlichen und kirchennahen Einrichtungen bzw. von katholischen Würdenträgern zentral von damit beauftragten Opferschutzsstellen gesammelt und die erhobenen Daten verlinkt werden, sofern die Betroffenen dem zustimmen: "Die Opfer müssen natürlich vorher informiert werden, was mit den Daten passiert und was auf sie zukommen kann." Diese Opferschutzstellen könnten sich dann mit den Staatsanwaltschaften koordinieren.

Schadenersatz

Was die Frage von möglichen Schadenersatzansprüchen betrifft, "ist es unseriös, im jetzigen Zeitpunkt mit konkret bezifferten Forderungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Das weckt unrealistische Erwartungshaltungen", so Plaz. Grundsätzlich sei der Wunsch nach gerichtlich betriebener finanzieller Wiedergutmachung selten das Motiv, weshalb Opfer sexuellen Missbrauchs schließlich ihr Schweigen brechen.

Schwierige Rechtsfragen

"Die zivilrechtliche Ebene wirft auf jeden Fall eine Fülle von schwierigen Rechtsfragen auf, weshalb von anwaltlicher Seite nicht aus der Hüfte geschossen werden sollte. Schadenersatzverfahren können für die Opfer sehr belastend, langwierig und kostspielig sein. Die Gefahr, dass die Opfer am Ende der Verfahren mit einem Schuldenberg und dem Gefühl, neuerlich benutzt worden zu sein, dastehen, ist nicht zu unterschätzen", hält die namhafte Expertin fest.

Verjährung

Eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung wiederum wäre für ein Zivilverfahren von großem Vorteil, da es eine Bindungswirkung entfaltet: Tat- und Schuldfrage müssten dann nicht mehr behandelt werden, sodass der Zivilrichter das Opfer nicht mehr zu den strafbaren Handlungen zu befragen hätte. Für Plaz ist es durchaus vorstellbar, dass selbst lange zurückliegende Übergriffe strafrechtlich nicht verjährt sind: "Aus der Erfahrung heraus handelt es sich bei Missbrauchsfällen in Institutionen oft um Wiederholungstäter, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg tätig werden." Ein innerhalb einer offenen Verjährungsfrist begangenes Delikt, das sich neuerlich gegen dasselbe Rechtsgut richtet, lässt allerdings die alte Tat nicht verjähren. Das hieße, dass ein Kirchenmann, der sich vor etlichen Jahren an einem Schutzbefohlenen strafbar gemacht hat, in weiterer Folge in eine andere Diözese versetzt wurde und dort neuerlich die sexuelle Integrität eines anderen angetastet hat, unter Umständen auch für den ersten, an sich verjährten Fall strafrechtlich belangt werden kann, sofern sich bei der Prüfung des Fortsetzungszusammenhangs herausstellt, dass sich die Kette der Übergriffe in zeitlicher Hinsicht schließen lässt.

 

 

 

 

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